Göttin des Frühlings
Magen zog sich zusammen. Einen Gott zu begehren … wäre das nicht die allerletzte Dummheit?
»Göttin, ich überlasse dich nun Eurydike und den Dienstmägden. Entspanne deine Sinne – kein sterblicher Mann wird dich betrachten.« Iapis verbeugte sich vor ihr.
»Iapis!« Lina war etwas eingefallen. Sie rief den Daimon zurück. »Du hast gerade gesagt, kein
sterblicher
Mann würde mich sehen – aber was ist mit Hades? Wo ist er?« Sie gab vor, nicht zu merken, dass ihre Wangen heiß glühten.
Iapis’ Gesicht blieb reglos. »Der Herr der Unterwelt ist in die elysischen Gefilde gegangen. Er sprach davon, Dido zu suchen und sie zum Fluss Lethe zu geleiten.«
Obwohl Lina sich über die Nachricht freute, dass Hades ihrem Rat gefolgt war, runzelte sie die Stirn und wies auf die geöffneten Glastüren zum Balkon.
»Sind die elysischen Gefilde nicht irgendwo in der Richtung?«
»Einige schon, Göttin.« Dann blitzten Iapis’ Augen verständnisvoll auf. »Ich werde meinem Herrn entgegengehen und ihn über einen anderen Weg zurück zum Palast führen. Sei versichert, Persephone, Hades würde deine Privatsphäre nicht stören wollen.«
»Oh, nein, natürlich nicht«, beeilte sich Lina zu sagen.
»Genieße dein Bad, Göttin!« Wieder verbeugte sich Iapis.
Eurydike folgte ihm zur Tür.
»Wenn deine Göttin noch irgendetwas benötigt, brauchst du nur eine der Dienstmägde nach mir zu schicken, und ich werde es erledigen lassen«, sagte Iapis.
Das Mädchen neigte dankend den Kopf. »Das ist überaus edel von dir, Iapis«, sagte sie und trat in den Gang. Sie senkte die Stimme, damit Persephone sie nicht hören konnte. »Ist Hades wirklich im Elysium?«
»Ja«, flüsterte Iapis.
»Aber du wirst ihn nicht davon abhalten, durch den Park zurückzukommen?«
Iapis antwortete mit einem langsamen, wissenden Lächeln und zwinkerte. Eurydike musste ihre Lippen aufeinanderpressen, um nicht zu kichern.
Fröhlich plaudernd half Eurydike Lina aus ihrem nektarverklebten Gewand. Sie standen mitten auf dem großen Balkon, der auf die herrliche rückwärtige Parkanlage des Palastes ging. Eine Parkanlage, die völlig frei von Geistern war, männlichen wie anderen, bemerkte Lina. Direkt vor ihr stand das Becken, das Eurydike von den Dienern hatte herbeitragen lassen. Daneben war ein kleiner Tisch voller Fläschchen und Schwämme. Näher am Becken stand ein kurzbeiniger, schwerer Hocker. Am Rande des Balkons befand sich eine Chaiselongue, die die Diener auf Eurydikes Beharren aus Linas Schlafzimmer angeschleppt hatte. Darauf lag ein kunstvoll verziertes Holztablett mit üppigen Granatäpfeln. Sie waren bereits aufgebrochen, so dass die granatroten Kerne herausquollen. Selbstverständlich stand dort auch eine Kristallflasche, die bis zum Rand mit gekühlter Ambrosia gefüllt war. Lina grinste. Eine Göttin konnte nie genug Ambrosia haben.
Der Balkon selbst war, wie der Rest des Palastes, opulent und einzigartig. Er zog sich nicht einfach außen an der Fensterreihe entlang, sondern war elegant geschwungen wie ein halbes Valentinsherz. An der Seite öffneten sich die Balustraden zu einer marmornen Wendeltreppe, über die man auf einen blumengesäumten Pfad gelangte, der wiederum zur obersten Terrasse der Parkanlage führte. Linas persönlicher kleiner Eingang zum Paradies.
Sie betrachtete die herrliche Landschaft, während Eurydike sie aus ihrer Kleidung befreite. Der kleine Geist hatte nicht übertrieben, als er sagte, die Aussicht sei umwerfend. Und irgendwas war mit dem Licht – es hatte sich begonnen zu verändern. Der pastellfarbene Himmel wurde dunkler, die Farben vertieften sich von Rosa über Korallrot und Lila zu Violett. Plötzlich flackerten überall im Park Fackeln auf, und Lina zuckte überrascht zusammen.
»Kein Grund zur Sorge, Göttin.« Eine der Mägde, die geblieben war, um Eurydike zu unterstützen, sprach mit der Stimme eines Kindes. »Die Fackeln entzünden sich von selbst. Es ist kein sterblicher Mann im Garten, der deine Nacktheit sehen könnte.«
»Wie heißt du?«, fragte Lina den jungen Geist.
»Hersilia.« Demütig zog sie den Kopf ein.
»Danke, Hersilia, dass du mich erinnert hast, nicht so kindisch zu sein.« Lina lächelte die Magd an.
Eurydike wickelte die letzte Lage Seide ab und bückte sich, um der Göttin aus den Lederpantoffeln zu helfen.
»Jetzt steig einfach in das Becken, Persephone«, wies das Mädchen sie an.
Das Marmorbecken war kühl unter Linas nackten Füßen. Sie hatte
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