Göttin des Lichts
die ehrliche Sorge, die sie auf seinem Gesicht sah, brachte sie dazu, es sich anders zu überlegen.
»Ich will ihn nicht bestrafen, aber ich weiß einfach nicht, was ich tun soll«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
»Aber Sie wissen, dass er Sie liebt, oder nicht?«
Pamela blinzelte überrascht, und Eddie lachte leise.
»Sie sollten immer daran denken, dass ich Schriftsteller bin, was nichts anderes ist als ein Geschichtenerzähler, der die Welt beobachtet und sie dann nach seiner Vision neu gestaltet, zur Unterhaltung und Belustigung seines Publikums. Außerdem versucht Phoebus ja auch gar nicht, seine Gefühle für Sie zu verbergen – Sie sind es, die verbirgt, was Ihr Herz für ihn empfindet. Oder stimmt das etwa nicht?«
»Doch«, gab sie leise zu.
»Ich weiß, es ist anmaßend, das zu fragen, aber ich tue es trotzdem. Warum machen Sie das? Er scheint ein Mann mit einem exzellenten Charakter zu sein.«
Sie zögerte, unsicher, ob sie es riskieren sollte, ihm die Wahrheit zu verraten, vielleicht wenigstens teilweise.
»Sie können ruhig offen sprechen, Pamela. Was Sie mir anvertrauen, wird unsere Geschäftsbeziehung nicht beeinflussen. Und ich möchte gerne glauben, dass ich auch ein wenig Ihr Freund bin. Ich fand es schon immer lächerlich, wenn Leute meinen, man soll Geschäft und Vergnügen um jeden Preis trennen. Wie farblos das Leben sein muss, wenn man sich mit der Last solch engstirniger Regeln durchs Leben schleppen muss. Also verraten Sie mir doch: Was hindert Sie daran, Phoebus’ Avancen anzunehmen?«
Sie studierte Eddies Augen. Sie waren ohne Falsch und erfüllt von freundlicher Sorge. »Wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, muss ich dann Angst haben, dass meine Geschichte in einem Ihrer Bücher auftaucht?«, fragte sie, nur halb im Scherz.
Diesmal war sein Lachen wieder so laut, dass es durch den ganzen Innenhof schallte. »Das ist immer die Gefahr, wenn man sich einem Geschichtenerzähler anvertraut.« Dann beugte er sich zu ihr und senkte die Stimme zu einem Bühnenflüstern: »Aber ich schwöre Ihnen, dass ich Ihren Namen ändern werde.«
Sie entschied sich für ihr Bauchgefühl. »Ich habe Angst, verletzt zu werden«, platzte sie heraus. »Sie etwa nicht?«
Langsam wanderte Eddies Blick von ihr zu Artemis. Einen Moment überschattete Traurigkeit sein Gesicht, dann holte er tief Atem, und die Traurigkeit war einem verständnisvollen Lächeln gewichen. Ohne den Blick von der Göttin abzuwenden, antwortete er: »Sie erinnern sich ja bestimmt noch, dass ich die Statue im Zentrum des Brunnens nach dem Bild des Gottes Bacchus gestalten wollte, als wir uns kennenlernten, nicht wahr?«
»Ja«, nickte Pamela und hoffte inständig, dass sie nicht aus Versehen etwas gesagt hatte, was ihn dazu brachte, diese schaurige Idee erneut in Erwägung zu ziehen.
»Bacchus ist schon lange einer meiner Lieblingsgötter. Er ist nicht unbedingt typisch für die Olympier. In der Mythologie wird berichtet, dass er der letzte Gott war, der auf den Olymp kam – Homer zum Beispiel hat ihn nie anerkannt. Seine Natur war den anderen Göttern fremd – sie, die Ordnung und Schönheit liebten, wussten den Charakter von Bacchus und seinen Anhängern nicht wirklich zu schätzen. Ich kann mich gut in Bacchus’ Lage versetzen – ich weiß, wie es ist, wenn die Leute in Wirklichkeit anders über einen denken, als sie nach außen hin vorgeben.« Er schüttelte den Kopf und sah Pamela voller Zuneigung an. »Aber ich schweife ab. Es ist nicht Bacchus’ Geschichte, die ich Ihnen erzählen möchte, sondern die seiner Mutter.«
Der große Mann winkte einem der Arbeiter, ihnen Stühle zu bringen. Pamela setzte sich, während der Autor es sich neben ihr bequem machte und sich erkundigte, ob sie ebenfalls Lust auf ein Glas kalten Met hätte. Sie nickte. Warum auch nicht? Wenn man für Eddie arbeitete, konnte man ruhig mal über die Stränge schlagen. Als der Met serviert wurde, nahm Eddie einen großen Schluck, bevor er mit seiner Geschichte begann.
»Semele war eine thebanische Prinzessin, zwar von sterblichen Eltern geboren, aber schön wie eine Göttin. Unglücklicherweise wurde Zeus, der Oberste Herrscher des Olymp, auf sie aufmerksam. Zeus hatte Affären mit vielen sterblichen Frauen – wie die meisten Götter und Göttinnen.«
An dieser Stelle gab Pamela einen etwas genervten Laut von sich und schlug die Beine übereinander. Eddie lächelte.
»Vergessen Sie nicht, es war eine andere Welt damals, meine Liebe.
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