Göttin des Lichts
deine Olive noch?«
Als Apollo den Kopf schüttelte, spießte seine Schwester die Olive mit einem Zahnstocher aus seinem Glas und ließ sie in ihrem Mund verschwinden.
»Zeus hat ganz klar gemacht, dass wir unsere Kräfte nicht einsetzen sollen, um uns in die Angelegenheiten der modernen Welt einzumischen.«
»Bei Zeus’ Bart, du bist schon genauso griesgrämig geworden wie der tote Theresias!«
Ihre Wut zischte um sie herum, und der Zahnstocher, den sie noch zwischen den Fingern hielt, ging in Flammen auf. Ärgerlich verdrehte die Göttin die Augen und blies die Asche weg.
»Das Leben der Sterblichen ist genauso zerbrechlich, leicht aufgebraucht und leicht ersetzbar wie ihre läppischen Gebrauchsgegenstände.«
»Du vergleichst die Sterblichen mit einem Holzspan?«, bemerkte Apollo, starrte aber weiter in die Richtung, in der die Nymphen verschwunden waren.
»Warum nicht?« Artemis seufzte und schüttelte den Kopf über ihren Bruder, der mit den Gedanken so offensichtlich anderswo war. »Na schön. Lass uns dafür sorgen, dass die Nymphen nichts tun, was eine Einmischung in die Angelegenheiten deiner geliebten Sterblichen sein könnte.« Als Apollo zögerte, zog sie ihn auf die Füße.
»Man kann nie wissen«, flüsterte sie in gespielter Sorge. »Irgendein argloser Sterblicher könnte in die Beschwörung stolpern und um deine Hilfe bitten. Ich kann es fast hören: Großer Zeus, schicke einen Donnerkeil, der den Nachbarshund, der mich die ganze Nacht mit seinem Gebell nervt, zum Krüppel macht …«
Kopfschüttelnd und etwas widerwillig wanderte Apollo mit seiner Schwester durchs Casino. »Du solltest eine Beschwörungszeremonie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Du weißt genauso gut wie ich, wie viel Unheil Sterbliche schon damit angerichtet haben, dass sie Götter an sich gebunden haben, die ihnen helfen sollten.«
»Antike Sterbliche wie Paris oder Medea, ja. Aber hier geht es nicht um die Alte Welt. Diese Sterblichen wissen nichts von uns.« Angewidert sah Artemis zu, wie ein rundlicher Mann mit schütterem Haar einer spärlich bekleideten jungen Frau, die ein Tablett trug, eine Handvoll großer Zigarren abkaufte. »Alles, was sie jetzt interessiert, ist …« Sie hielt inne, als der Dicke die Hand ausstreckte und den Hintern des Mädchens betatschte. Mit einer minimalen Bewegung ihrer Finger brachte die Göttin ihn zum Stolpern, und der Mann fiel auf die Nase. Zufrieden lächelnd nahm sie zur Kenntnis, wie seine Zigarren über den Boden rollten. Der Mann fluchte laut. »Alles, was die Sterblichen heutzutage interessiert, ist die Befriedigung ihrer oberflächlichen, egoistischen Bedürfnisse.« Als sie an dem Zigarrenmann vorbeigingen, trat sie in voller Absicht auf eine der Zigarren und zermalmte sie auf dem prächtigen Teppich.
»Dann sind sie nicht viel anders als die Götter«, brummte Apollo.
Artemis ignorierte seinen vorwurfsvollen Unterton. »Wir sind Götter. Die Erfüllung unserer Bedürfnisse ist unser Recht.«
»Aber was, wenn die Erfüllung unserer Bedürfnisse nicht ausreicht?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
Artemis spürte Ärger in sich aufsteigen. Mit ihrem Bruder stimmte ganz offensichtlich etwas nicht, aber seine mürrische, selbstmitleidige Haltung ging ihr allmählich auf die Nerven.
»Was schlägst du vor, Bruder? Was für ein anderes Leben würdest du dir wünschen? Schau dich um.« Mit einer ausladenden Handbewegung deutete sie auf die Menschen, die an ihnen vorbeiwuselten wie hirnlose Ameisen. »Wir benehmen uns wie etwas Besseres, weil wir etwas Besseres sind. Das Leben der Menschen ist zeitlich begrenzt. Sie sind wie Schmetterlinge, wenn auch ohne deren schöne Flügel. Du meinst, die modernen Sterblichen haben sich verändert? Die einzige echte Veränderung, die ich an ihnen sehe, ist, dass sie uns nicht mehr erkennen, und das zeigt mir, dass sie sogar noch das bisschen Intelligenz verloren haben, das sie früher besaßen. Schau dir doch an, was sie jetzt anbeten.« Am Ende des Casinos hielt Artemis inne und schaute hinaus in den Einkaufsbereich des Forums. »Heutzutage heißen ihre Götter Gucci, Prada, Versace, Escada, Visa und Mastercard.« Voller Ärger darüber, dass die Malaise ihres Bruders ihr so unter die Haut ging, schüttelte sie den Kopf. »Aber wir verschwenden unsere Zeit. Sollten wir nicht eigentlich den Nymphen folgen?«
Mit einem Nicken deutete sie auf den wirbelnden Goldstaub, den die Halbgottheiten hinterlassen hatten. Natürlich hatten
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