Göttin des Lichts
»Und vielleicht auch ein Pflaster?«
»Ja, danke, das wäre sehr nett«, sagte sie und versuchte, ihren glühenden Kopf zu vergessen. Der Kellner hatte sich bereits abgewandt, als ihr einfiel, dass es am vernünftigsten gewesen wäre, sich die Flasche von ihm verkorken zu lassen und damit auf ihr Zimmer zu verschwinden. Sie fingerte an dem provisorischen Verband herum. Aber sie hatte überhaupt keine Lust, vernünftig zu sein. Abgesehen davon, dass sie erhitzt und ein bisschen angeheitert war, fühlte sie sich fast wie neugeboren – anscheinend hatte es ihr gutgetan, ihren Wunsch laut auszusprechen. Okay, vielleicht hatte auch der Wein etwas damit zu tun, aber sie mochte den Gedanken, dass auch noch etwas anderes im Spiel war. Endlich hatte sie zugegeben, was ihr unbewusst schon seit Monaten zu schaffen machte – nämlich, dass Duane es womöglich geschafft hatte, sie so zu verletzen, dass jede Romantik aus ihrem Leben verschwunden war. Und jetzt, wo sie diese Befürchtung endlich ausgesprochen hatte, erschien sie ihr plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Es war ungefähr so, wie wenn man um Mitternacht einen Ausflug in den Wandschrank unternimmt, um nachzuschauen, ob sich darin wirklich der Schwarze Mann verbirgt – hinzukommen ist grausig, aber wenn die Tür erst mal offensteht, ist der Rückweg gar nicht mehr so schlimm. Also würde sie jetzt ihre Rückkehr in die Welt beginnen. Wie V immer sagte, musste sie öfter ausgehen und zeigen, dass sie auf der Suche war. Sie durfte die Männer nicht mehr nur als Geschäftspartner betrachten. Tja, das konnte sie aber nicht, wenn sie die Flasche zukorkte und auf ihr Zimmer verschwand.
»Ich hoffe, es schmerzt nicht zu sehr.«
Pamela blickte von ihrem Finger empor … hoch und immer höher … bis sie in zwei Augen schaute, die so blau waren, dass sie unmöglich echt sein konnten. Und wie groß war dieser Mensch eigentlich? Pamelas Bruder war knapp eins neunzig, aber dieser Typ hier musste sogar noch größer sein. Dann erweiterte sich ihr Blickfeld, und als sie sein Gesicht sah, waren alle Gedanken an blaue Augen und ihren Bruder verschwunden. Was für ein toller Mann! Klare Gesichtszüge, eckiges, starkes Kinn. Die Haare golden wie Sommersonne, dicht und lockig.
Kurz gesagt – er war perfekt. Er sah aus, als wäre er gerade aus einer Zeitschriftenwerbung getreten – und nicht etwa aus einem dieser ach so schicken androgynen Bilder, auf denen Frauen wie Männer und Männer wie kleine Jungen aussahen. Nein, dieser Mann war attraktiv wie ein Star des alten Hollywood, wie Cary Grant oder Clark Gable. Nur eben blond und … Pamelas Gedanken zerfielen in ihre Einzelteile, als ihr klar wurde, was sie sonst noch so sah, und beschämt hörte sie sich selbst kichern. Er war blond, hinreißend und trug etwas, was aussah wie ein antikes Gladiatorenkostüm und nur sehr wenig von seinem sensationellen Körper versteckte. Wieder spürte Pamela, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg – diesmal vor Verlegenheit.
»Wie bitte?«, fragte sie und starrte ihn verwirrt an, denn sie hatte komplett vergessen, was er gesagt hatte.
»Der Finger«, antwortete er und deutete auf die notdürftig verbundene Hand. »Ich habe gesehen, wie Sie sich vorhin geschnitten haben, und hoffe, es schmerzt nicht zu sehr. Das habe ich wissen wollen.«
Als er lächelte, zog sich ihr Magen mit einem lächerlichen kleinen Zittern zusammen. Der Mann hatte Grübchen, die seiner maskulinen Schönheit eine ganz unerwartete süße Jungenhaftigkeit verliehen. Jungenhaft, atemberaubend und sehr, sehr groß – eine absolut umwerfende Kombination.
»Oh, äh, ja …« Sie schüttelte den Kopf, als müsste sie Spinnweben daraus entfernen. Ach, verdammter Mist, sie hatte eindeutig zu viel Wein getrunken. »Nein … Ich meine, nein, es ist nicht weiter schlimm. War nur ein albernes Missgeschick.«
»Wissen Sie, dass die Menschen in der Antike nicht an zufällige Missgeschicke glaubten? Sie waren überzeugt, dass alles, was passiert, einen Sinn und eine Bedeutung hat, und dass man, wenn man ein Omen richtig deutet, die Zukunft mit Hilfe von so einfachen Dingen wie Teeblättern oder dem Rauch eines Festfeuers vorhersagen kann.«
Pamela traute ihren Ohren nicht. Wie Seifenblasen in einem Sturm sausten die Gedanken in ihrem Kopf herum. Konnte ein Mann, der so aussah, tatsächlich eine interessante Unterhaltung führen? Und warum eigentlich sah er so aus? Womit sie jetzt nicht seine Schönheit meinte, sondern
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