Göttin des Lichts
keine große Sache daraus zu machen.«
Artemis starrte ins entsetzte Gesicht ihres Bruders. Warum sagte er denn nichts? Die Sterbliche war gerade dabei, ihn abzuservieren! Ganz offensichtlich wollte sie es nicht wirklich – Artemis fühlte nicht nur Pamelas Schmerz in ihrem eigenen Körper, er zeigte sich auch ganz deutlich in ihrer steifen, mechanischen Haltung. Aber sie war verletzt und aufgebracht. Sie brauchte Trost, nicht stumme Ratlosigkeit.
Apollo jedoch war sprachlos. Und ratlos.
»Wir wollten Sie nicht kränken«, schaltete Artemis sich ein. »Es war ein Missverständnis. Bitte, gehen Sie nicht so verärgert weg.«
»Ich bin nicht verärgert«, wiedersprach Pamela.
»Ich wäre es aber an deiner Stelle«, entgegnete Apollo, der endlich seine Stimme wiedergefunden hatte. Ganz still stand er da und versuchte alles, was er fühlte, in Worte zu fassen. »Ich wäre aufgebracht und verärgert, wenn ich denken würde, dass du vorhattest, mich vor der Morgendämmerung zu verlassen, ohne es mir zu sagen. Ich hätte es ansprechen müssen. Das wollte ich auch. Aber, liebe Pamela, ich wusste ja die ganze Zeit, dass ich wiederkommen würde, deshalb kam es mir grausam vor, unseren gemeinsamen Tag damit zu verderben. Jetzt sehe ich ein, dass es falsch war. Kannst du mir verzeihen?«
Sie musste ihm sagen, dass es keine große Sache war. Sie musste sagen, dass sie nichts von ihm erwartete. Und einfach weitergehen. Dann konnte sie V anrufen und mit ihr ein gutes Freundinnengespräch darüber führen, dass Männer einfach Idioten waren. Morgen würde sie sich dann wieder an die Arbeit machen und diesen Mann vergessen. Sie hatte gerade mit ihm geschlafen, aber sie war schließlich nicht mit ihm verheiratet oder irgend sonst etwas.
Aber seine Augen hielten sie fest. Wieder einmal. Sie hätte schwören können, dass sie in ihren Tiefen ein Spiegelbild ihrer selbst sah. Er verströmte das gleiche Gefühl, auf der Suche zu sein, und er hatte sie berührt – Körper, Herz und Seele. Duane hatte sie einbalsamiert, Phoebus hatte sie wieder zum Leben erweckt. Sie wollte nicht wieder zurück in ihr Grab der Gleichgültigkeit, und sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass dieses Wochenende ein Wendepunkt gewesen war. Sie würde nicht mehr zufrieden sein mit ihrem sicheren, geordneten Leben. Sie würde ausgehen, würde flirten und Risiken eingehen – mit Phoebus oder ohne ihn. Aber alles in ihr sehnte sich danach, dass sie es mit ihm tat.
»Okay«, stieß sie schließlich hervor. »Ich verzeihe dir.« Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und wartete. Jetzt war er an der Reihe. Überraschenderweise war es seine Schwester, die einsprang.
»Mein Bruder und ich haben etwas zu bereden. Eine Familienangelegenheit, und ich …«
»Kein Problem«, fauchte Pamela. »Ich geh ja schon.«
»Pamela, Sie haben doch auch einen Bruder, richtig?« Artemis musterte sie.
Wieder ins Stocken gebracht, nickte Pamela.
»Dann müssen Sie doch verstehen, dass Familienprobleme manchmal die persönlichen Belange außer Kraft setzen können. Wir werden zu Hause gebraucht. Bitte urteilen Sie deswegen nicht zu hart über meinen Bruder.«
Pamela antwortete mit gleicher Offenheit. »Ich urteile nicht über ihn, ich schütze nur mich selbst.«
»Aber du brauchst dich vor mir doch nicht zu schützen«, rief Apollo. Unfähig, sich zurückzuhalten, berührte er mit den Fingerspitzen ihren langen, nackten Hals. Als sie schauderte, war er allerdings nicht sicher, ob es geschah, weil sie ihn begehrte oder verabscheute. »Bitte triff dich heute Abend mit mir. Lass mich dich sehen, bevor ich weg muss. Ich schwöre dir, dass ich zurückkehre.«
Sie durfte das nicht tun. Er löste viel zu viel in ihr aus. Schon öffnete Pamela den Mund, um abzulehnen, aber dann dachte sie an die Nacht ohne ihn. Es wäre wie der Morgenhimmel ohne Sonne – trostlos … leer … So war ihr Leben gewesen, bevor sie ihn getroffen hatte, und dorthin wollte sie nicht zurück, selbst wenn es bedeutete, dass ihr das Herz gebrochen wurde. Wenigstens wusste sie jetzt, dass ihr Herz noch funktionierte, dass es noch sehr lebendig war.
»Na gut«, antwortete sie, wobei sie allerdings sorgfältig darauf achtete, dass ihre Stimme kühl blieb. »Wir können ja zusammen essen gehen. Snackus Maximus zählt nicht als richtige Mahlzeit.«
»Lassen Sie ihn das Restaurant wählen«, schlug Artemis mit einem zufriedenen Lächeln vor.
»Na gut«, wiederholte Pamela. »Wenn wir uns
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