Goettin meines Herzens
um ihr eine widerspenstige Locke aus dem Gesicht zu streichen.
14. KAPITEL
Wie auch letzte Nacht gewann Miranda Kraft aus seiner Nähe. Indes wusste sie auch, dass ihr dieses Mal mehr angeboten wurde, sie sich auf mehr einließ, denn auf bloßen Trost. Er hatte sich nicht entsetzt von ihr abgewendet oder sie mit vernichtender Verachtung angeblickt, aber er würde sie nicht noch einmal bitten, ihn zu heiraten. Wenn die Wahrheit je herauskäme, würde die Schande, mit der sie befleckt war, auch sein Ansehen zerstören, und das konnte sie einfach nicht zulassen.
Sie erlaubte sich, in seiner starken Umarmung zu entspannen, und genoss diesen kostbaren Augenblick, den sie niemals vergessen wollte. Bald würde er sie gehen lassen müssen. Er würde versuchen, sie mit leeren Worten zu trösten, sie von aller Schuld freizusprechen, bevor er ging, denn er war ein guter Mann, wie sehr er auch das Gegenteil vortäuschen und behaupten mochte. Dennoch würde er sie gehen lassen, und wahrscheinlich zutiefst erleichtert sein, dass sie ging, wenn er sich auch anders gab, um ihren Stolz nicht zu verletzen.
Dieses Mal indes konnte sie in wahren Erinnerungen schwelgen, die jene aus der Nacht, in der sie sich zum ersten Mal begegneten, auslöschen würden. Damals hatte sie geglaubt, er wäre ein Trugbild ihrer Fantasie, hervorgerufen durch den Laudanumtrank, den Nevin sie trotz ihrer heftigen Gegenwehr gezwungen hatte zu trinken. Jetzt wusste sie jedoch, dass es ihn tatsächlich gab, und ein unbezähmbares Überbleibsel des ungestümen Mädchens, das sie einst gewesen war, frohlockte ob dieser Tatsache. Der geliebte Held ihrer Träume, ihr unkonventioneller Pirat mit dem sinnlichen, wissenden Blick, in dem sich eine Frau verlieren konnte, stand vor ihr, war kein Traum, sondern wundervolle Wirklichkeit.
Selbst als sie noch glaubte, er sei ein Bild ihrer Fantasie, stellte er alle anderen Männer in den Schatten, machte ihr deutlich, wie dumm es von ihr gewesen war, sich von Nevins oberflächlichem Charme und seinem anziehenden Äußeren blenden zu lassen. Mit Kit hingegen, der es aus eigener Kraft geschafft hatte, den Londoner Elendsvierteln zu entkommen und es zu Ansehen und Reichtum zu bringen, hatte sie sich einen wahren Helden gewählt, erkannte sie mit bitterem Humor, während sie über die trostlos vor ihr liegende Zukunft nachdachte, die sie ohne ihn verbringen musste.
„Also, wann werden wir heiraten?“, fragte er, als ob sie seine Geduld mit dieser dummen Geschichte nur ein wenig auf die Probe gestellt hätte.
„Wie kannst du überhaupt noch fragen? Natürlich werde ich dich nicht heiraten.“
„Warum nicht?“ Er klang nur mäßig interessiert an ihrer Antwort. Sie versuchte, sich aus seiner Umarmung zu lösen, damit sie ihn aus angemessener Entfernung mit einem Blick bedenken konnte, der ihr Erstaunen ob dieser Frage zum Ausdruck brachte. Indes, dieser halsstarrige Mensch ließ sie nicht los.
„Ich dachte, das wäre offensichtlich“, antwortete sie schnippisch.
„Nicht für mich.“
„Das sollte es aber sein“, teilte sie ihm mit. Es kränkte sie, dass er sie zwang, auszusprechen, was sie beide wussten. „Ich bin eine gefallene Frau. Kein ehrbarer Gentleman mit Selbstachtung würde ein schamloses Frauenzimmer wie mich heiraten. Und ich bin an dem Tag zu einem solchen geworden, an dem ich mit dem Lehrer meines kranken Bruders durchgebrannt bin.“
„Allerdings habe ich nie behauptet, ehrbar zu sein, nicht wahr?“, sagte er, als ob diese Begründung alles ändern würde, die Welt außerhalb dieses Raumes bedeutungslos machte.
„Du bist ein Earl und ein Gentleman, ich habe nicht die Absicht, den Anlass zu liefern, dass man dich geringer achtet. Auch ich habe meinen Stolz.“
„Aber mir gestehst du keinen zu?“
Nun klang er gar nicht mehr vernünftig. Der Verzweiflung nahe, sah sie, wie er die Lippen zusammenpresste. Seine dunklen Augen hingegen funkelten verheißungsvoll.
Sie durfte nicht zulassen, dass er sie zu einer Art Feldzug machte, den er zu gewinnen trachtete. Möglicherweise sehnte sich ein Teil von ihr verzweifelt nach dem Schutz, den er ihr so voreilig anbot. Sie gestand sich sogar ein, die Vorstellung, der Welt nicht mehr allein gegenübertreten zu müssen, einfach unwiderstehlich zu finden. Indes wollte sie sich von diesem Gefühl nicht überwältigen lassen. Ich darf es nicht, beschloss sie mit Bedauern. Die Lippen entschlossen zusammenpressend, kämpfte sie gegen den Drang an, ihm all
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