Goettinnensturz
Herrschaften daheim zuhauf!«
»Dann müssen Ihre Gäste eben eine Weile ohne Kurpark auskommen«, zischte Mara, die gerade hinzutrat. »Stellen Sie meinetwegen Baustellenschilder auf oder tarnen Sie das sonst wie.«
»Was?« Unwillig drehte sich Karger zu der Sprecherin herum. »Wer sind Sie denn?«
»Wander, Kripo Graz. Sonst noch was?«, schnappte Mara.
»Nein. Natürlich nicht. Ich …«, Kargers Tonfall wurde untertänig. »Ich hoffe … ähm … Was wollte ich sagen? Egal. Viel Erfolg bei den Ermittlungen. Dass Sie mir das so rasch wie möglich aufklären, ja?«
Keiner der Ermittler sagte was. Versteinerte Gesichter. Nur Reinhard, der etwas entfernt stand, verzog die Lippen, als wolle er sich ein Grinsen verkneifen.
»Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich habe viel zu tun.« Der Dicke deutete auf ein Gebäude gegenüber vom Park. »Sie halten mich über die Entwicklung auf dem Laufenden?« Als niemand antwortete, lüpfte er einen imaginären Hut und eilte den Weg zurück, den er zuvor gekommen war.
»Was war das denn?«, murrte Mara und zum ersten Mal, seit Berenike sie kannte, hörte sie sich durch und durch unfreundlich an.
»Vergiss ihn«, brummte Jonas. »Wir haben viel zu tun.«
»Alle Ermordeten haben mit dem Narzissenfest zu tun«, murmelte Berenike. »Und alle waren in Tracht. Er hier ebenso. Dirndl, Trachtenhemd, jetzt Trachtenschuhe als Mordwaffe.«
»Da könntest du was Wichtiges sagen.« Mara war hinzugetreten und sah Berenike interessiert an. »Eine Gemeinsamkeit. Außerdem wurde wie bei den zwei anderen Opfern hier eine Waffe eingesetzt, zu der man dem Opfer nahe kommen muss.«
In diesem Moment trafen die Bestatter ein und hoben auf Reinhards Erlaubnis hin den Toten in einen Sarg. Etwas fiel zu Boden. Berenike versuchte mehr zu erkennen. Jetzt hätte sie ihre Brille gebraucht! Die lag wie üblich an einem Ort, an den sie sich nicht erinnerte.
Das konnte kein Zufall mehr sein. Monika hatte sich fürs Kartenlegen interessiert, okay. Spätestens jedoch bei der Tarot-Karte neben Bernds Leiche an der Mühle hätte sie stutzig werden sollen. Und jetzt überhaupt. Denn neben dem toten Schuhmacher lag eine Karte mit dem Gehängten. Ausgerechnet.
Während die anderen die Karte etwas ratlos betrachteten, wandte sich Berenike zum Gehen.
»Grüß euch!« Sie hob die Hand.
»Servus!«, rief Reinhard. Jonas winkte, ohne sich zu ihr umzudrehen. Am Kirchturm blinkte die Sonne. Und wieder hatte sie die Chance verpasst, Jonas von ihrer Verfehlung zu erzählen. Sie musste einen Moment finden, in dem keine weiteren Zeugen dabei waren.
12
Während der ganzen Fahrt hinauf nach Altaussee durch das seltsam wechselnde Licht ging es in Berenikes Kopf ebenso so durcheinander wie beim Wetter: Sonne, Wolken, Regen, alles wechselte, und das ständig. Typisch Ausseerland, zu jeder Jahreszeit. Und in ihrem Kopf – drei Tote. Die tote Frau im Fluss, der Mann an der Mühle, jetzt der Schuster unter der Brücke. Und: drei Tarotkarten. Dazu Sylvie, die immer noch vermisst wurde. Das Narzissenfest als verbindendes Element – mit Ausnahme Sylvies. Dann die Trachtenkleidung. Auch in diesem Punkt lief Sylvie außer der Reihe – sie trug nie Tracht und interessierte sich nicht für alpine Traditionen. Genau darum war sie bei ›Pessoas Erben‹ gelandet, weil die Autorengruppe abseits der üblichen Pfade tätig war …
Und doch spürte Berenike, spürte es, wie sie es immer spürte, dass all diese Dinge zusammenhingen – auf tödliche Weise. Ihr war nicht klar, auf welche Weise. Wenn der Täter etwas gegen das große Fest hatte, das man in der Nachkriegszeit für die Touristen erfunden hatte – warum hatte er dann nicht eine Narzissenkönigin getötet? Das würde mehr Aufsehen erregen. Es musste um etwas Anderes gehen. Etwas, das zwar mit dem Fest zusammenhing, jedoch nicht allein damit.
Die Tarotkarten! Sie musste ihre eigenen konsultieren. Sich von deren Anblick inspirieren lassen. Hoffentlich fand sie die Karten endlich. Berenike parkte und öffnete schwungvoll die Tür zu ihrem Salon. Und prallte zurück. Etwas blitzte.
»Frau Roither, es ist mir ein Vergnügen …«
Ein Reporter, auch das noch! Wenigstens nicht Johnny. Doch hinter dem Zeitungsmann, den sie von einem früheren Mordfall kannte, saßen und standen jede Menge Leute und wogten ihr entgegen.
»Was für eine morbide Morgenbeschäftigung, Frau Roither!«, tönte eine Männerstimme von hinten. Gleichzeitig leuchtete direkt vor ihr ein
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