Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
keine Heilerin ist. Aber dann hat sie versprochen, dass sie hinabsteigen und mich und Claire herausholen würde, falls ich nicht stark genug wäre, die Reise allein zu schaffen. Ihrer Zuversicht konnte ich entnehmen, dass sie meinte, was sie sagte, und ich gehe auch davon aus, dass sie mehr als nur einmal körperlich dort war.«
»Der Dreck an deinen Füßen!«, rief Ariadne aus, die sofort an Helens schmutzige Füße und das Mysterium der nicht klingelnden Glöckchen denken musste.
»Was ist damit?«, fragte Helen und sah in die versteinerten Gesichter der anderen.
»Der Deszendent träumt nicht nur von der Unterwelt, sondern geht tatsächlich mit seinem Körper hinunter«, antwortete Ariadne, die vollkommen schockiert war. »Du warst jede Nacht in der Hölle.«
»Deine Albträume«, sagte Lucas und schaute Helen an.
»In einem von ihnen warst du bei mir«, erwiderte Helen verwirrt. »In der Nacht, in der wir abgestürzt sind, bevor wir am Strand aufgewacht sind, bin ich hinuntergegangen, um dich zu holen, weißt du das noch? Du warst verloren und blind, und ich habe dich dazu gebracht, aufzustehen und weiterzugehen. Mir hinauszufolgen …«
Helen konnte nicht weitersprechen. Lucas zu zwingen, durch die Unterwelt zu laufen, war grauenvoll. Er hatte nicht verstanden, dass sie ihn retten wollte – er hatte nur Angst gehabt, dass sie ihm wehtat.
»Das war real?«, wisperte Lucas.
Helen nickte und wollte nach seiner Hand greifen. Sie musste ihn berühren, um sich zu vergewissern, dass er jetzt keine Angst mehr vor ihr hatte, aber Daphne hielt ihre Hand mitten in der Luft fest und schüttelte missbilligend den Kopf.
»Du hast es gewusst«, warf Lucas Daphne vor.
»Wie Jason habe ich Helens Fähigkeit heute Nachmittag entdeckt«, antworte Daphne. »Das ist einer der Gründe, weswegen ich um dieses Treffen gebeten habe.«
»Und was sind deine anderen Gründe?«, fragte Cassandra eisig, deren Gesicht wieder von der Aura des Orakels erhellt wurde. Daphne verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor den verschiedenen Erscheinungen, die angefangen hatten, Cassandra mit ihrer Anwesenheit zu beehren.
»Wie Aeneas wird meine Tochter die Hilfe der Sibylle in der Unterwelt brauchen«, sagte Daphne formell. »Ich bitte darum, dass das Haus von Theben seine Cousine Helen, die Erbin des Hauses des Atreus, aufnimmt, während sie ihre Bestimmung in der Unterwelt erfüllt. Im Gegenzug werde ich, Daphne, Herrin über das Haus des Atreus, Hector Delos, dem Ausgestoßenen des Hauses von Theben, Zuflucht und Schutz bieten.«
Alle sahen sich an, verblüfft von Daphnes Bitte, aber auch von ihrem Angebot. Einen Moment lang herrschte Schweigen.
»Warum solltest du das für meinen Sohn tun wollen?«, fragtePallas, hin- und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Empörung.
»Weil er einer der stärksten Scions ist, die ich je gesehen habe, aber auch einer der stolzesten. Der Verlust seiner Stellung in diesem Haus wird ihn verändern und ohne Führung könnte er zu einer Gefahr für uns alle werden. Ich habe das schon einmal erlebt«, antwortete Daphne ruhig. Sie sah Lucas direkt in die Augen, als müsste sie ihm beweisen, dass sie die Wahrheit sagte. »Wir sind alle eine Familie, und es wird Zeit, dass wir uns auch so benehmen.«
»Es ist alles wahr, was sie sagt«, erklärte Lucas und sah zu Pallas hinüber, der erleichtert nickte. Lucas hingegen war am Boden zerstört. Er hatte die Wahrheit von Daphne selbst gehört – Helen war ein Mitglied seiner Familie.
Castor und Pallas tauschten einen Blick, obwohl sie längst einer Meinung waren, und sahen dann Cassandra an, damit sie die endgültige Entscheidung traf. Sie nickte nur einmal kurz mit dem Kopf, dann stand sie auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
»Etwas noch«, fuhr Daphne fort und ignorierte taktvoll Cassandras unhöflichen Abgang. »Hector will wissen, was mit Kreons Leichnam geschehen wird.«
»Wir haben Mildred informiert, dass sie kommen und ihn holen muss«, sagte Castor und starrte auf seine Hände. »Sie wird ihn für die Beisetzung zu seinem Vater zurückbringen.«
»Natürlich«, sagte Daphne traurig. »Bitte lasst mich wissen, wenn sie da ist. Hector sagte etwas davon, dass er sie um Verzeihung bitten will …« Sie verstummte unsicher, als wäre sie nicht davon überzeugt, dass das eine gute Idee war.
»Ich rufe dich an«, versprach Pallas und eilte aus dem Raum.
Daphne blieb noch eine Weile und versicherte dem Rest der Familie, dass es Hector
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