Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
Familie zu schützen. Sie konnte niemanden von ihnen töten, aber sie durfte auch nicht zulassen, dass die Familie Hector umbrachte. Wenn seine Familie nicht auf ihren Bluff hereinfiel, hatte sie keine Chance mehr. Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so allein gefühlt.
»Helen, ich habe Hector! Bleib zwischen uns, während ich ihn wegbringe«, rief Daphne hinter ihr. »Was immer du tust, lass nicht zu, dass sie ihn sehen, sonst verlieren wir diesen Kampf!«
Helen seufzte, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte. Sie war so erleichtert, jemanden auf ihrer Seite zu haben.
Es war ihr egal, ob sie den letzten Tropfen Wasser in ihrem Körper verbrannte. Wichtig war nur, den Teufelskreis der Rache zu unterbrechen, bevor er die Familie vernichtete, die sie liebte. Sie warf die Arme hoch und brachte mit einem letzten Aufkeuchen ihren Blitz dazu, in einem großen, grellen Kreis um ihren Körper zu tanzen. Ariadne, Pallas und Castor hielten sich die Hände vors Gesicht, um ihre Augen vor dem Licht zu schützen, über das sie keine Kontrolle hatten.
Helens Blitz war heißer als die Oberfläche der Sonne. Er schmolz den Asphalt unter ihren Füßen und heizte die Luft auf, bis sie buchstäblich zu brennen begann. Pallas, Castor und Ariadne liefen fort von der unerträglichen Helligkeit und der Hitze, aber, was noch wichtiger war, sie liefen auch fort von Daphne, die mit dem bewusstlosen Hector über der Schulter in die Dunkelheit rannte.
Die Schmerzen waren nicht mehr auszuhalten. Helen konnte den Ball aus Elektrizität nur noch ein paar Sekunden aufrechterhalten. Als sie Daphne weglaufen hörte, ebbte der Strom ab wie bei einer durchgebrannten Glühbirne, und sie stolperte verzweifelt aus dem glühenden, flüssigen Asphalt, der unter ihr glomm und dessen giftige Gase sie zu ersticken drohten. Auf allen vieren kroch sie auf Ariadne, Castor und Pallas zu, deren Gesichter sie entsetzt und verzweifelt anstarrten. Aber Helen konnte nicht zulassen, dass sie sich ihrer Verzweiflung hingaben.
»Lucas braucht Hilfe!«, keuchte sie und deutete auf die zerschmetterten Stufen der Bücherei.
»Ariadne«, sagte Castor mit klangloser Stimme. »Hol Lucas. Helen, kannst du gehen?«
»Nein«, gestand sie und schüttelte den Kopf.
»Sterbliche werden kommen«, sagte Castor. Er hob Helen hoch und wollte sie wegtragen, zögerte aber, als er bemerkte, dass sein Bruder ihm nicht folgte. »Pallas! Wir müssen gehen!«
»Mein Sohn!«, wisperte Pallas, der wie angewurzelt dastand.
»Dad, komm jetzt! Du musst Kreons Leiche nehmen!«, zischte ihm Ariadne von den Stufen des Athenäums zu. Sie hatte sich Lucas über die Schulter geworfen und sah sich hektisch nach möglichen Zeugen um.
Die Stimme seiner Tochter riss Pallas aus seiner Erstarrung. Er griff nach dem toten Kreon und folgte Castor aus dem Ort und hinaus aufs Moor.
19
H elen starrte das Glas Wasser an, das vor ihr stand und einen feuchten Ring auf dem Tisch hinterließ. Sie hatte schon so viel getrunken, dass es ihr vorgekommen war wie eine ganze Badewanne voll, und jetzt hatte sie keinen Durst mehr. Sie hielt sich aber trotzdem an ihrem Glas fest, damit sie nicht in die traurigen Gesichter blicken musste.
»Diese Familie ist sein ganzes Leben. Dieses Haus«, sagte Ariadne. Ihre rot unterlaufenen Augen waren weit aufgerissen und ihr Blick war starr. »Wie kann Hector ein Ausgestoßener des Hauses von Theben sein?«
»Ich hätte ihn aufhalten können«, verkündete Jason.
»Du kannst im Moment kaum aufrecht auf einem Stuhl sitzen«, widersprach Ariadne kopfschüttelnd. Jason hatte sich noch nicht von Claires Heilung erholt, und seine Zwillingsschwester ließ nicht zu, dass er die Verantwortung für etwas übernahm, das er nicht einmal gesehen hatte. »Ich war dort. Ich hätte ihn aufhalten sollen.«
»Du warst nicht in der India Street, als Hector Kreon getötethat, Ari«, sagte Helen, die immer noch ihr Wasserglas anstarrte. »Aber ich.«
»Hör auf damit, Helen«, sagte Lucas. »Du und deine Mutter, ihr habt diese Familie gerettet. Zumindest das, was noch davon übrig ist.«
Alle erinnerten sich schmerzlich an Pandora und jeder dachte dasselbe. Wenn er oder sie an diesem Tag anders gehandelt hätte, müssten sie jetzt nicht diesen Schmerz ertragen. Cassandra versicherte allen, dass keiner von ihnen vorhersehen konnte, was passieren würde, und nahm damit gewissermaßen alle Schuld auf sich. Sie schien nicht darüber hinwegzukommen, dass sie die Einzige war, die
Weitere Kostenlose Bücher