Göttlich verdammt - Angelini, J: Göttlich verdammt
gesehen. Sie wusste noch, dass sie durstig gewesen war, aber nicht trinken konnte. Aber wieso fiel es ihr so schwer, sich an alles andere zu erinnern? Sie versuchte, sich zu konzentrieren und die Erinnerung zurückzurufen.
Ihr Durst quälte sie so, dass sie zum Wasser hinunterging. Sie beugte sich über die stinkenden Ufer aus schwarzem Schlamm und sah bleiche, verkrüppelte Fische ungeschickt herumtorkeln, als hätten sie vergessen, wie man schwimmt. Sie wich vom Fluss zurück. Bevor sie dieses Wasser trank, würde sie lieber vor Durst sterben. Das Rauschen des Wassers dröhnte in ihren Ohren …
Helen rannte ins Badezimmer und sprang unter die Dusche. Sie schrubbte den schwarzen Schlamm ab und spülte sich immer wieder den Mund aus. Sie fühlte sich verseucht und scheuerte ihre Haut, bis sie ganz rot war und ihre Augen brannten.
Nach dem Duschen stopfte sie Nachthemd und Bettzeug in die Waschmaschine. Diesmal waren keine Blutflecken zu sehen, aber Helen bezweifelte, dass der hartnäckige Schlamm vom Fluss rausgehen würde. Dann ging sie wieder nach oben, um die schlammigen Fußabdrücke wegzuputzen, die sie hinterlassen hatte.
Es war früh am Sonntagmorgen. Normalerweise war ihr Vater tagsüber zu Hause und abends im Laden, aber er hatte angeboten, eine Doppelschicht zu übernehmen, damit Kate einen freien Tag hatte. Helen wurde das Gefühl nicht los, dass sich diebeiden aus dem Weg gingen. Sie hatte am vergangenen Abend, nachdem Claire zur Strandparty gegangen war, mit Kate darüber reden wollen, aber sie war einfach zu müde gewesen, Kate eindringlicher zu befragen. Irgendwie fühlte sich im Moment alles so gedämpft und lautlos an, als wären all ihre Gefühle unter der Oberfläche begraben.
Helen ging zurück in ihr Zimmer und schaltete die Schwerkraft abwechselnd an und aus. Sie schwebte in der Luft oder fiel auf den Boden, bis sie endlich herausfand, wie sie auf den Fußballen landen konnte statt auf jedem anderen Körperteil. Sie experimentierte ein wenig mit Luftströmungen, aber sie konnte nicht viel mehr tun, als ihren Schwebezustand zu stabilisieren, wenn sie nicht riskieren wollte, ihr ganzes Zimmer zu demolieren. Nach ein paar Stunden trieb sie das ewige Klingeln des Telefons aus dem Haus. Die Familie Delos wollte wissen, warum sie noch nicht zum Training erschienen war.
Helen hatte nachgedacht. Sie sah einfach keinen Sinn darin zu lernen, wie man ein Schwert schwingt, wenn man sie mit Waffen nicht verletzen konnte, und wenn sie einfach wegfliegen konnte, brauchte sie gar nicht erst zu kämpfen. Sie wusste, dass Hector oder Jason irgendwann vor ihrer Tür stehen würden, also lief sie ziellos durch die Gegend und hoffte, durch ein wenig Geschwindigkeit wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie trug Jeans und einen Pulli, nicht gerade die ideale Sportbekleidung, aber das machte nichts. Nachdem sie den Ortskern hinter sich gelassen hatte, lief sie Richtung Osten die Polpis Road hinunter. Es war ihr egal, wo sie landete, Hauptsache, dort waren keineMenschen. Als sie weiterrannte, erkannte sie, dass sie diesen Weg schon einmal eingeschlagen hatte, und obwohl sie nicht an diese kopflose Flucht denken wollte, wusste sie doch, dass es der perfekte Ort war, um die Ruhe zu finden, die sie brauchte.
Die Sonne ging bereits unter, als sie den bekannten Leuchtturm entdeckte. Sie warf einen Blick auf den Sand und fragte sich, ob es derselbe war, der sie und Lucas umgeben hatte, als sie diese furchtbaren Schmerzen gehabt hatten. Als sie einen Moment lang gestorben waren.
Sie waren an diesem Abend nicht nur schwer verletzt worden, sie hatten angefangen, über die Schwelle zu treten. Zumindest Lucas hatte es getan. Und sie war ihm gefolgt, um ihn aufzuhalten. Und da war ein Fluss gewesen.
»Hey! Was glaubst du, was du hier machst?«, brüllte Hector.
Er kochte vor Wut. Er stürmte über den Strand und legte bei jedem Schritt eine größere Entfernung zurück, als normale Menschen es gekonnt hätten.
»Wie hast du mich gefunden?«, stieß Helen verdutzt hervor.
»So schwer bist du nicht zu durchschauen«, sagte er verächtlich. »Und jetzt schaff deinen Hintern zu mir nach Hause.«
»Ich will nicht mehr trainieren. Es ist sinnlos«, rief Helen über die Schulter, nachdem sie sich zum Gehen gewandt hatte. »Ich will allein sein.«
»Du willst also allein sein, Prinzessin? Tut mir leid, aber so funktioniert das nicht«, sagte er, als er ihre Schultern packte und sie herumwirbelte. Helen lachte hysterisch
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