Gohar der Bettler
mir den Namen des Landes! Mach schon, schnell!«
Yeghen brauchte nicht lange nach dem Namen des Landes zu suchen; die Welt war zwar groß, und auf ihrer Oberfläche wimmelte es nur so von Ländern, aber Yeghen kostete es keine Mühe, sich für eines zu entscheiden. Der Name kam ganz von selbst über seine Lippen.
»Syrien«, sagte er.
»Syrien?« wiederholte der Polizist. »Das ist weit entfernt. Bist du dir dessen sicher, was du sagst?«
»Absolut sicher. Ich schwöre es dir bei meiner Ehre.«
»Das ist gut«, sagte der Polizist. »Aber ich lasse dich noch nicht laufen. Warum hast du hier Streichhölzer angezündet? Ich beobachte dich nämlich schon eine ganze Zeit lang, weißt du.«
»Ich werde es dir erklären«, sagte Yeghen. »Ich habe vorhin ein Geldstück verloren, und um es zu suchen, habe ich Streichhölzer angezündet. Wie du siehst, ist es ganz einfach.«
»Ein Geldstück! Was ist denn das für eine Geschichte?«
Die Angelegenheit begann kompliziert zu werden. Yeghen fühlte sich erschöpft; er zitterte vor Kälte. Durch welche Art von Hexerei zog sich die Welt um ihn herum so zusammen? Sein ganzes Leben hatte man ihn verfolgt. Und jetzt, an der Schwelle zu einer geruhsamen Nacht, sah er sich von dieser teuflischen Macht umzingelt, die immer auf der Lauer lag. Er haßte die Polizei und vor allem diese Polizisten, perfekte Verkörperungen der Niedertracht. Trotzdem wäre er in dieser Minute lieber auf der anderen Seite gestanden, hätte er dieser beschränkte und stumpfsinnige Polizist sein wollen. Er hatte es satt, immer auf der Seite der Geschlagenen zu stehen. In seinem Inneren hegte er den verrückten Wunsch, auf der Seite der Schläger zu sein, nur für eine Nacht, nur für diese eine Nacht. Schlafen, nicht mehr frieren, sich von dieser schweren Müdigkeit freimachen, die er wie eine Last mit sich herumschleppte. Ja, ein gemeiner Polizist sein, aber schlafen können.
Seine Stimme nahm einen unterwürfigen Ton an, und mit übertriebener Liebenswürdigkeit sagte er:
»Glaube mir, Exzellenz! Ich sage die Wahrheit. Hier ist das Geldstück.«
Yeghen holte es aus seiner Tasche hervor und zeigte es dem Polizisten.
»Ich hatte es gerade wiedergefunden, als du kamst.«
Der Polizist betrachtete das Geldstück und gähnte. Er verspürte keine Lust, bis zur Polizeistation zu gehen, und abgesehen davon schien ihm diese Person von keinerlei Interesse zu sein.
»Ist in Ordnung!« sagte er. »Du kannst gehen. Aber hör auf, dich so verdächtig zu verhalten. Ich habe ein Auge auf dich.«
»Danke, Exzellenz«, sagte Yeghen. »Du bist ein kluger Kopf. Du bist die Verkörperung der Intelligenz. Eines Tages wirst du Minister werden.«
Yeghen atmete tief durch, dann begann er zu laufen. Als er unter der Straßenlaterne ankam, blieb er stehen, öffnete die Hand und begutachtete das Geldstück bei Licht. Es sah normal aus; es war echtes Geld. Niemand würde wagen, es nicht anzunehmen. Yeghen setzte seinen Weg fort. Er spürte immer noch die Gegenwart des Polizisten, der ihn aus dem Dunkel heraus belauerte.
Das erste Hotel, vor dem er stehenblieb, trug den Namen Hotel du Soleil Yeghen ging hinein. Der Hotelier, der auf einem schmutzigen Sofa döste, hob den Kopf und sah Yeghen an, als würde er ihn für einen Dieb halten.
»Was willst du?«
»Ich hätte gern ein Zimmer«, sagte Yeghen.
»Ein Zimmer«, sagte der Mann. »Ja, ich kann dir ein Zimmer geben. Es kostet zwei Piaster. Hast du das Geld?«
Yeghen war auf diese Frage vorbereitet; er hielt das Geldstück in seiner Hand. Dann reichte er es dem Mann. Dieser nahm es, untersuchte es im Licht einer rauchenden Lampe, die den Flur beleuchtete, und sagte dann ehrerbietig:
»Folge mir, mein Bey!«
Sie stiegen eine Treppe ohne Geländer hinauf, deren Stufen ausgetreten und gefährlich wie Fallen waren. Im zweiten Stock blieb der Mann vor einer Tür stehen, die er öffnete.
»Tritt ein!« sagte er. »Es ist das schönste Zimmer im ganzen Hotel. Ich gebe es nur ehrbaren Kunden.«
»Ich danke dir herzlich«, sagte Yeghen.
Das Zimmer war möbliert mit einem Bett aus Eisengestell, auf dem ein blaßrosanes Deckbett lag, einem Stuhl und einem kleinen Tisch aus schwarzem Holz. Yeghen jedoch hatte nur Augen für das Deckbett.
»Sag mal, es gibt hier doch wenigstens keine Wanzen?«
»Wanzen?« fragte der Hotelier empört. »Niemals. Dies ist ein erstklassiges Hotel.«
»Dann ist ja alles in Ordnung, ich danke dir.«
»Ich laß dich jetzt allein«, sagte der
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