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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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Straßenlaterne; von einer unsagbaren Angst gepackt, ging Yeghen auf das Licht zu. Die Grausamkeit des Schicksals offenbarte sich nun in ihrem ganzen Ausmaß. Sollte das Geldstück gefälscht sein, wäre es vorbei mit seiner Nachtruhe. Sein Traum von einer erholsamen Nacht in einem Hotelzimmer, ganz ohne Kälte und ohne die durch sinnloses Herumlaufen verursachte Müdigkeit, hing jetzt einzig und allein von diesem einen Geldstück ab.
    Yeghen war müde; er träumte von einem wunderbaren Schlaf dem der unergründliche Geschmack des Nichts eignete. Die Straßenlaterne war noch etwa zehn Meter entfernt; Yeghen konnte sich nicht mehr länger zurückhalten und blieb stehen, um das Geldstück zu betrachten. Zitternd öffnete er die Hand, brachte sie auf Augenhöhe und stieß im selben Augenblick einen Schrei des Entsetzens aus. Die Münze war auf den Boden gefallen; seine Hand zitterte so sehr, daß er nicht bemerkt hatte, wie sie ihm entglitten war. Yeghen warf sich beinahe auf den Boden und suchte ihn intensivst mit den Augen und mit den Händen ab; weder sah noch fühlte er etwas. Schwindel ergriff ihn, und sein Gehirn begann zu delirieren. Die Straßenlaterne stand zu weit weg; der Lichtschein, den sie warf reichte gerade bis an den Rand des Bereiches, den er absuchte. Yeghen wurde wahnsinnig vor ohnmächtiger Wut. Er verfluchte sich dafür, das Geldstück aus der Tasche genommen zu haben. Dann schimpfte er auf die Regierung. Diese Zwei-Piaster-Stücke waren einfach viel zu klein; hätte die Regierung keine größeren herstellen können?! »Zuhälterregierung!« Was dachte sie sich eigentlich bei der Herstellung dieser Münzen? Geld zu sparen. Eine Schande und eine Absurdität war das!
    In seinem Wahn dachte Yeghen daran, die Straßenlaterne an den Ort der Katastrophe zu befördern. Um sein verlorenes Geldstück wiederzufinden, glaubte er sich zu allem fähig. Plötzlich fielen ihm die Streichhölzer ein, und er fuhr hoch. All sein Schmerz war wie unter der Wirkung eines Schocks verschwunden. Die Streichholzschachtel befand sich in seiner Hosentasche; er holte sie heraus, zündete ein Streichholz an, beugte sich nach vorn und ließ die Flamme kreisen. Dieser erste Versuch führte zu nichts; das Geldstück blieb unauffindbar. Yeghen entzündete ein weiteres Streichholz, machte einige Schritte seitwärts, wobei seine Nase beinahe den Boden berührte. Wenige Augenblicke später hüpfte ihm das Herz vor Freude in der Brust; die Münze lag vor ihm, funkelnd und rein wie ein Diamant. Er ergriff sie, steckte sie hastig in die Tasche, verharrte dann einen Moment lang wie verdutzt, völlig erschöpft von der Anstrengung. Das Streichholz, das er vergessen hatte auszumachen, verbrannte ihm die Finger.
    »Zuhälterregierung!« schrie er.
    Das Geräusch eines schweren Schrittes war zu hören, dann blieb jemand hinter ihm stehen. Yeghen hielt den Atem an, drehte sich um und befand sich von Angesicht zu Angesicht mit einem Polizisten. Eine düstere Erscheinung; Yeghen verharrte wie versteinert. Diesmal jedoch weder vor Müdigkeit noch vor Kälte oder Hunger: der offizielle Repräsentant allen Unheils stand vor ihm. Er lächelte einfältig.
    »Du beschimpfst also die Regierung!« sagte der Polizist.
    »Ich?« stotterte Yeghen. »Ich beschimpfe niemanden, Exzellenz.«
    »Ich habe gehört, wie du gerade geschrien hast: >Zuhälterregierung.< Ich bin schließlich nicht taub. Los, gib es zu.«
    »Oh, das heißt gar nichts, Exzellenz«, sagte Yeghen. »Es ist nur wegen dieses Streichholzes, an dem ich mir die Finger verbrannt habe.«
    »Um das Streichholz kümmern wir uns später«, sagte der Polizist. »Im Augenblick möchte ich von dir wissen, ob unsere Regierung eine Zuhälterregierung ist, ja oder nein?«
    »Nein, Exzellenz! Mein Ehrenwort, unsere Regierung habe ich gar nicht gemeint.«
    »Und welche Regierung war dann gemeint?«
    »Ich dachte an eine ausländische Regierung«, antwortete Yeghen.
    »Eine ausländische Regierung«, sagte der Polizist mit träumerischem Gesichtsausdruck. »Du bist ein Lügner. Du dachtest an unsere Regierung, da bin ich ganz sicher.«
    »Bei meiner Ehre, Exzellenz, es handelt sich um ein Mißverständnis. Ich schwöre dir, daß ich eine ausländische Regierung meinte. Ich kann dir sogar sagen, von welchem Land.«
    Der Polizist schwieg; er schien nachzudenken. Das Nachdenken kostete ihn viel Mühe, sehr viel Mühe sogar, deshalb ließ er es schnell wieder sein. Er begann, sich unwohl zu fühlen.
    »Nenn

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