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Gohar der Bettler

Gohar der Bettler

Titel: Gohar der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cossery
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unanfechtbarer und präziser Beweise gelange ich zu einer festen Überzeugung. Ich nehme erst dann jemanden fest, wenn ich von seiner Schuld überzeugt bin. Ihr seid allesamt gebildete Leute und scheint dennoch keine Vorstellung von Recht und Gesetz zu haben.«
    »Recht und Gesetz interessieren uns nicht«, sagte Yeghen, »sondern der Mensch. Was uns interessiert, ist, herauszufinden, warum ein Mann wie du, anstatt sein kurzes Leben zu genießen, seine Zeit damit verbringt, seinesgleichen festzunehmen. Ich finde diese Beschäftigung ziemlich schändlich.«
    »Aber ich schütze doch nur die Gesellschaft vor den Kriminellen«, sagte Nour El Dine. »Was seid ihr nur für Leute? Ihr lebt außerhalb der Realität!«
    »Die Realität, von der du redest«, sagte Gohar, »ist eine Realität aus Vorurteilen. Ein von Menschen erdachter Alptraum.«
    »Es gibt keine zwei Realitäten«, sagte Nour El Dine.
    »Doch«, sagte Gohar. »Zunächst einmal ist da die trügerische Realität, in der du zappelst wie ein im Netz gefangener Fisch:«
    »Und welche ist die andere?«
    »Die andere ist eine heitere Realität, die die Einfachheit des Lebens widerspiegelt. Denn das Leben ist einfach, Herr Offizier. Was braucht ein Mensch zum Leben? Etwas Brot reicht aus.«
    »Etwas Haschisch auch, Meister!« warf Yeghen ein.
    »Meinetwegen, mein Sohn! Etwas Haschisch auch.«
    »Aber das ist die Negation jeden Fortschritts!« ereiferte sich Nour El Dine.
    »Man muß sich entscheiden«, sagte Gohar. »Fortschritt oder Frieden. Wir haben uns für den Frieden entschieden.«
    »Den Fortschritt überlassen wir dir, Exzellenz«, sagte Yeghen. »Amüsier dich gut damit. Wir wünschen dir viel Vergnügen.«
    Nour El Dine öffnete den Mund, um zu antworten, aber sein Hals war wie zugeschnürt, so daß er kein Wort herausbrachte. Die Persönlichkeit Gohars faszinierte ihn. Dieser Mann hatte vom Frieden gesprochen wie von einer einfachen Sache, für die man sich entscheiden konnte. Frieden! Nour El Dine wußte nichts von Gohars früherem Leben, aber er hatte den Eindruck, daß dieser Mann mehr war, als er zu sein schien, das heißt als ein gescheiterter und verarmter Intellektueller. Sein asketisches Äußeres, seine geschliffene Sprache, die Erhabenheit seiner Haltung, alles an ihm zeugte von einer scharfen und durchdringenden Intelligenz. Wie konnte ein solcher Mann in der sozialen Hierarchie nur so tief fallen? Und vor allem, wieso vermittelte er den Eindruck, als würde er daran Gefallen finden und sich dessen rühmen? Sollte er den Frieden etwa in dieser extremen Armut gefunden haben?
    Dank der Polizeiberichte wußte Nour El Dine, daß Gohar irgendeine Tätigkeit im Bordell Set Aminas ausübte. Er hatte dem keine große Bedeutung beigemessen, weil er glaubte, es handle sich um einen alten Hausangestellten, an dem Set Amina ein gutes Werk tat, indem sie ihn kleine Arbeiten verrichten ließ. So hatte er ihn sich nicht vorgestellt. Jetzt, wo er ihn vor sich sah, hatte er eine vollkommen andere Meinung von ihm, und er fragte sich sogar, ob er nicht vielleicht der Mörder war.
    »Was ist Frieden?« fragte er Gohar, während er ihn mit einem merkwürdig starren Blick ansah.
    »Frieden ist das, was du suchst«, antwortete Gohar.
    »Bei Allah! Woher willst du wissen, was ich suche? Was ich suche, ist ein Mörder!«
    »Erlaubst du, daß ich meinem Erstaunen Ausdruck verleihe, Exzellenz?« sagte Yeghen. »Ich frage mich immer noch, warum du dem Geständnis El Kordis keinen Glauben geschenkt hast. Nur zu gern würde ich deine Gründe kennen.«
    »Das ist ganz einfach«, sagte Nour El Dine. »Ich hatte bereits ein Gespräch mit diesem jungen Mann. El Kordi Effendi konnte nicht der Mörder sein. Er spricht zuviel; er läßt sich zu sehr dazu hinreißen, seine Gedanken preiszugeben. Es mangelt ihm an Scheinheiligkeit. Er ist ein Idealist. Der Mann, der dieses Verbrechen begangen hat, scheint mir ein subtilerer, rätselhafterer Charakter zu sein.«
    »Wahrhaftig! Du glaubst tatsächlich an die Psychologie«, rief Yeghen aus. »Das hätte ich niemals von dir gedacht, Herr Offizier. Also wirklich, du verblüffst mich ein ums andere Mal.«
    »Ich muß gestehen, daß ich zum ersten Mal in einem solchen Fall ermittele. Das Ausscheiden materieller Beweggründe sowie das Fehlen von Hinweisen, die für eine Vergewaltigung sprechen, lassen meiner Meinung nach auf ein Verbrechen ohne Motiv schließen.«
    »Ein Verbrechen ohne Motiv!« wiederholte Yeghen. »Du bist tatsächlich

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