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Gold in den roten Bergen

Gold in den roten Bergen

Titel: Gold in den roten Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Reparaturbetrieb. Vor allem baute er Ersatzteile aus ausgeschlachteten Autos ein, die dann von Monsieur Valle als neu bestellt berechnet wurden, oder er baute Teile aus neuen Wagen aus, die dann nach kurzer Zeit prompt liegenblieben und zu Louis Valle zurückkamen. So entstand eine gut florierende und angesehene Werkstatt.
    Boabo wunderte sich sehr, als seine Frühstückspause in einer luftigen, kühlen Ecke der Werkshalle gestört wurde und jemand durch das Gebäude schrie: »Wo ist der Halunke? Knollennase, komm her …«
    Boabo überlegte schnell, wer das sein könnte, wem er in den letzten Tagen Ausschlachtungsteile eingebaut hatte und wer in der Lage war, so etwas zu merken. Aber da sah er schon Chick Bullay und war beruhigt. An einen solchen Track wagte Boabo sich nicht heran. Männer wie Chick wußten über ihre Riesenlastzüge besser Bescheid als jeder Mechaniker.
    »Hier, Mr. Bullay!« rief Boabo und winkte mit beiden Armen. Dann setzte er sich wieder und kümmerte sich weiter um sein Frühstück. Wie sein Chef bevorzugte er französische Croissants, gefüllt mit Konfitüre oder einer Marzipanmasse, nur – und das jagte Monsieur Valle ständig einen Schauer über den Rücken – belegte Boabo diese Köstlichkeit mit einem stinkenden Käse aus Schafsmilch. Über den Geschmack eines Aboriginals soll man nicht streiten – solche Eßkapriolen erlebt man überall.
    Chick setzte sich neben Boabo auf eine Kiste und sah ihm angewidert zu. Der Eingeborene warf einen lauernden Blick auf ihn, trank Bier aus der Flasche und ließ einen Rülpser los.
    »Sau!« sagte Chick und nahm den Kopf etwas zurück. »Wo bleibt deine Missionserziehung?«
    Boabo grinste breit, stellte die Flasche neben sich auf den Betonboden und rieb die Handflächen an seinen Hosen ab.
    »Auto kaputt?« fragte er.
    »Als wenn ich damit zu dir käme, du Halunke.« Chick holte eine Packung Zigarren aus der Tasche, bot sie an und wartete, bis Boabo die ersten drei Züge geraucht hatte. »Wo kommst du her, Knollennase?« fragte er dann.
    Wie die meisten Aboriginals hatte auch Boabo eine breite, dicke, flache Nase mit Nasenflügeln, die wie seitlich herauswachsende Knollen aussahen. Die Nasenwurzel war zum Stirnbein hin tief eingedrückt, als habe jemand eine Axt hineingeschlagen, und über den Augen wölbten sich die Brauen wie zwei dicke Wülste. Das Kraushaar auf dem Kopf, nicht kurz, sondern langsträhnig, war von einer merkwürdigen rötlich überhauchten schwarzen Farbe.
    Wie alt Boabo war, wußte niemand genau: Die Missionsschule hatte ihm einfach ein Geburtsdatum gegeben, geschätzt nach seiner körperlichen Entwicklung, und so war er nun offiziell 42 Jahre alt. Ihm selbst war das gleichgültig. Er lebte, hatte zu essen, ein Dach über dem Kopf und galt als etwas Höhergestelltes als seine Altersgenossen. Er konnte lesen und schreiben, Kirchenlieder singen und in der Gruppe ›The Outback Singers‹ sogar britische Volkslieder, Operettenmelodien und das deutsche ›Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin‹ zum Besten geben – was ihm besonders gefiel und sein Lieblingslied wurde. Das war ein schönes Leben. Kommt es da auf das Alter an?
    Und daß man ihn Knollennase nannte – auch daran hatte er sich gewöhnt. Allerdings durfte das nicht jeder zu ihm sagen, nur ein ausgewählter Kreis … Bei jedem anderen wurde Boabo wild. Dann brach sein Aboriginalstolz hervor, weckte in ihm die alte Kriegerseele und verjagte die christliche Erziehung. Es gab ahnungslose Kunden, die flüchteten dann aus der Werkstatt, beklagten sich bei Monsieur Valle oder liefen sofort zur Polizei, um eine Anzeige zu machen.
    »In der Autowerkstatt ist so ein Affe, der wollte mich angreifen!« keiften sie, aber die Polizei von Alice Springs fragte erst gar nicht, wer damit gemeint war, nahm pflichtschuldig ein Protokoll auf und zerriß es wieder, wenn der Kläger die Police Station verlassen hatte.
    Chick gehörte zu den Bevorzugten, die Boabo Knollennase nennen durften; er verzog den breiten Mund zu einem Lächeln.
    »Wo komme ich her?« antwortete er und hob die Schultern. »Ich bin da …«
    »Wo bist du geboren, du Rindvieh?«
    »Von Mama …«
    »Und wo war deine Mama?«
    »Sie lag auf der Erde …«
    »Auf welcher Erde?«
    »Auf roter Erde.«
    »Stinkjunge, jetzt hör mal her.« Chick beugte sich zu Boabo vor und zeigte ihm seine mächtige Faust. »Wann bist du nach Alice Springs gekommen?«
    »Ganz klein. Mama hat mich bei Pfarrer Trevor von

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