Gold in den roten Bergen
aus den Reservaten eingeschleppt.«
»Man hat mir noch nichts gemeldet«, rief der Aboriginal-Landrat dazwischen. Er ahnte, was da auf ihn zukam und wie die Weißen in kürzester Zeit auf diese Nachricht reagieren würden. »Sie hören doch, er ist an Erschöpfung gestorben.«
»Aber er wollte zu uns, zu einem Arzt und zu Fuß! Warum hat man über Funk nicht nach einem Arzt gerufen? Alle Stämme in den Reservaten haben eine Funkanlage, nicht wahr?«
»Jawohl, Sir …«, antwortete der Landrat bedrückt. »Jede Verwaltungsstation. Undandita, Papunya, Yuendumu, Warrabri, Tanami … keine Meldung.«
»Und was folgern Sie daraus?« Der Distriktsgouverneur gab sich selbst die Antwort. »Dieser Kranke wurde von seinem Stamm ausgestoßen. Man erkannte seine Gefährlichkeit. Und er lief und lief, um zu einem weißen Arzt zu kommen, statt abseits von seinem Volk auf der Erde zu sterben, wie man erwartet hatte. Das war eine neue Gefahr, denn wenn die Krankheit bekannt wurde, würde der Teufel los sein. Und nun ist er los. Die Jagd auf den Aboriginal lief zu spät an. Könnte es so gewesen sein?«
»Möglich, Sir«, sagte der Aboriginal-Landrat vorsichtig. »Wo wurde er gefunden?«
»Am Highway bei den Crawford Ranges. Von hier aus links der Straße.« Wolf Herbarth saß hinter der Plastikwand und kam sich reichlich dumm vor. Wenn er nicht diesen einen unvorsichtigen Satz über den Toten gesagt hätte, wäre diese ganze hysterische Aktion nicht angelaufen. Es war also allein seine Schuld. »Er muß aus der Tanami-Wüste gekommen sein.«
»Ich werden sofort Yuendumu anfunken!« rief der Landrat. »Welch eine Schlamperei!«
»Wenn niemand etwas weiß? Wenn der Stamm schweigt und das unter sich regeln wollte?« Captain Tillburg wedelte mit den Händen durch die Luft. Er saß neben Wolf auf einem Hocker, ebenfalls hinter der Plastikwand als möglicher Infizierter isoliert. »Wie wollen Sie das jemals herausbekommen? Das merken Sie erst, wenn im Tanami-Gebiet das große Sterben beginnt. Und dann haben wir den ganzen Scheißdreck auch bei uns!« Er warf einen Blick zur Seite auf Herbarth. »Wenn er nicht überhaupt schon da ist …«
Als nächste wurden Saul Eberhardt und seine Enkelin Bette im Hospital abgeliefert. Mit unnachahmlicher Würde stampfte der dicke Dreiundachtzigjährige in das durch die Plastikwand geteilte große Zimmer. Während Bette sich weinend auf einen Stuhl setzte, trat Eberhardt an die durchsichtige Trennwand heran.
»Das ist das zweite Mal in meinem langen Leben«, sagte er, als spräche er am Rednerpult seiner Kirche, »daß ich grundlos verhaftet werde. Das erste Mal war's vor rund sechzig Jahren, als ich mit einem Motorrad gegen einen Gemüsestand fuhr. Trunkenheit warf man mir vor – und ich war stocknüchtern! Und niemand hatte sich die Mühe gemacht, meine Bremsen zu untersuchen. Die hatten nämlich versagt, nicht ich! Aber es tat den Behörden gut, einen Prediger zu quälen … Man bewies die irdische Macht. Heute nun ist es das zweite Mal. Ich protestiere. Ich soll krank sein? Angesteckt von diesem netten jungen Mann da? Irrsinn! Hysterie! Die Zeit ist noch nicht gekommen, da Gott der Herr sein Strafgericht über alle ausschütten läßt. Denn dann helfen keine Ärzte mehr, keine Medizin, keine Isolierung, keine Bestrahlungen oder Injektionen, keine Operationen und auch keine Gebete … Dann sind wir alle nur noch Sünder und werden nach unseren Sünden gewogen …«
»Fertig?« fragte Captain Tillburg trocken.
»Ja, Sie Ignorant.«
»In Kürze wissen wir mehr. Meine Leute bringen den Toten her.«
»Dann wissen wir auch, woher er kommt!« rief fast jubelnd der Aboriginal-Landrat aus.
»Wie das denn?« fragte Tillburg säuerlich.
»Er hofft auf ein Stammeszeichen«, gab Saul Eberhardt zur Antwort. Er war der größte Aboriginal-Kenner unter den Weißen, unbestritten. »Aber das ist eine vage Hoffnung. Viele der jüngeren Generation verzichten auf solche Merkmale.« Er wandte sich zu Herbarth um. »Und wie alt war der Tote ungefähr?«
»Das kann man bei einem Aboriginal nicht wissen.« Wolf hob die Schultern. »Dreißigjährige sehen manchmal schon aus wie Greise. Keiner kann das Alter eines Aboriginals schätzen, auch Sie nicht, Paul Eberhardt.«
Der Baptistenprediger blickte Wolf wohlwollend und gütig an. Welch ein netter Mensch! Nehmt euch alle ein Beispiel an ihm … Er weiß, daß Saul nur der Schreibfehler eines dämlichem Beamten ist und daß es Paul heißen soll!
»Hatte er
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