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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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und Italiener überall hin. Selbst in Kriegszeiten kamen und gingen die Maler nach Lust und Laune, vor allem die Italiener. Es gab so viele Italiener.
    Wieso dachte er jetzt daran?
    Er ging über das dunkle Schiff, von Kanone zu Kanone. Er berührte eine. Sie hatte seitlich einen Wahlspruch eingeprägt:
     
    SEMPER VINCIT
     
    Die Worte schienen ihn zu verspotten. Nicht immer, dachte er.
    Nicht ohne Männer, die laden und zielen und feuern konnten. Er berührte den Schriftzug, fuhr mit den Fingern über die Rillen, spürte den feinen glatten Bogen des S, die sauberen Linien des E.
     
    SEMPER VINCIT
     
    Es lag irgendwie Kraft in diesem knappen und klaren Latein, den zwei forschen Wörtern, soldatisch und hart. Die Italiener hatten das verloren; Italiener waren weich und blumig, und ihre Sprache hatte sich verändert, um diese Weichheit widerzuspiegeln. Es war lange her, seit Caesar kurz und bündig gesagt hatte: Veni, vidi, vici.
     
    VINCIT
     
    Das eine Wort schien auf etwas zu verweisen. Er betrachtete die säuberlichen Linien der Buchstaben, und dann sah er vor seinem geistigen Auge noch mehr Linien, Linien und Winkel, und er war wieder bei den alten Griechen, bei der euklidischen Geometrie, die für ihn als Junge so eine Qual gewesen war. Er hatte nie begreifen können, was so wichtig daran war, ob zwei Winkel gleich groß waren oder ob zwei Linien sich irgendwann überschnitten. Was spielte das für eine Rolle?
     
    VINCIT
     
    Er musste wieder an Cazallas Gemälde denken, ein Kunstwerk hatte auf einem Kriegsschiff nichts zu suchen, diente keinem Zweck. Das war die Schwäche der Kunst, sie war nicht praktisch. Kunst siegte gegen nichts.
     
    VINCIT
     
    Sie siegt. Es war eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet dieser Wahlspruch in eine Kanone gestanzt war, die gegen nichts siegte, dachte Hunter lächelnd. Die Waffe war ebenso nutzlos für ihn wie Cazallas Gemälde. Sie war ebenso nutzlos für ihn wie Euklids Postulate. Er rieb sich die müden Augen.
    Die ganze Denkerei brachte ihn nicht weiter. Er drehte sich im Kreis, ohne Sinn, ohne Zweck, ohne Ziel, angetrieben von der Ruhelosigkeit eines entmutigten Mannes, der in der Falle saß und vergeblich nach einem Ausweg suchte.
    Und dann hörte er den Schrei, den Seeleute mehr fürchten als jeden anderen: »Feuer!«

KAPITEL 29
    Er rannte zum Heck und sah sechs brennende Boote auf seine beiden Schiffe zugleiten. Es waren die Beiboote des Kriegsschiffs, die jetzt alle, dick mit Pech bestrichen und helllicht in Flammen, wie lodernde Fackeln das stille Wasser der Bucht beleuchteten, während sie in der Strömung herantrieben.
    Er verfluchte sich, weil er dieses Manöver nicht vorhergesehen hatte. Der Rauch an Deck des Kriegsschiffs war ein deutlicher Hinweis gewesen, doch Hunter hatte ihn nicht verstanden. Aber er vergeudete keine Zeit mit Selbstbeschuldigungen. Schon beeilten sich die Seeleute der El Trinidad, von Bord in die Beiboote zu kommen, die längsseits der Galeone vertäut waren. Das erste Beiboot stieß ab, die Männer legten sich mit aller Kraft in die Riemen und ruderten auf die Feuerboote zu.
    Hunter wirbelte auf dem Absatz herum. »Wo sind unsere Wachen?«, wollte er von Enders wissen. »Wie konnte das passieren?«
    Enders schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, die Wachen waren vorne auf der sandigen Spitze und dahinter am Strand postiert.«
    »Verdammt!«
    Entweder die Männer waren auf ihrem Posten eingeschlafen oder aber die Spanier waren in der Dunkelheit ans Ufer geschwommen und hatten die Männer überrumpelt und getötet. Er sah, wie die Männer im ersten Beiboot die Flammen eines brennenden Bootes bekämpften. Sie versuchten, es mit ihren Rudern aufzuhalten und umzukippen. Ein Seemann fing Feuer und sprang schreiend ins Wasser.
    Dann sprang Hunter selbst in ein Boot. Während die Männer auf die brennenden Boote zuruderten, spritzten sie sich mit Meerwasser nass. Hunter blickte zur Cassandra hinüber und sah, wie Sanson mit einem voll besetzten Beiboot ablegte, um sich an der Bekämpfung der Gefahr zu beteiligen.
    »Kopf runter, Jungs!«, rief Hunter, als sie sich dem Inferno näherten. Schon in einer Entfernung von fünfzig Yards war die Hitze von den Feuerbooten schier unerträglich; die Flammen schlugen hoch in die Luft, lodernde Pechklumpen knisterten und spien in alle Richtungen, zischten im Wasser.
    Die nächste Stunde war ein wahr gewordener Albtraum. Eines nach dem anderen wurden die brennenden Boote ans Ufer abgedrängt oder so

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