Gold und Stein
Hure hält?«
»Agnes!«
»Bitte heirate mich jetzt gleich und nimm mich mit zur Marienburg! Dann wäre es gleichgültig, was die anderen sagen oder denken. Als Mann und Frau müssten wir uns nicht verstecken.«
»Aber Liebelein, ich habe dir doch schon gesagt, dass …«
»In ein oder zwei Jahren, ja, ich weiß«, unterbrach sie ihn. »Aber warum? Du bist ein freier Mann, jeder achtet dich. Du hast ordentlich zu tun und verdienst dein eigenes Geld. Warum also kannst du mich nicht jetzt schon heiraten? Hat es etwas mit meiner Mutter und der Geschichte von damals …«
»Bitte fang nicht wieder damit an. Du weißt genau: Am liebsten würde ich dich eher heute als morgen heiraten. Abgesehen davon, dass ich noch einige Aufträge in der Fremde zu erfüllen habe, bin ich auch der Ansicht: Es wäre besser, wir heirateten mit Zustimmung deiner Mutter. Daran liegt mir sehr viel.«
»Nie und nimmer wird sie dich an meiner Seite dulden. Sie kann sich nicht zu ihrer Vergangenheit bekennen und hat Angst, du stellst sie bloß. Nur deshalb will sie mich mit Kollmann verheiraten. Und selbst wenn sie inzwischen ihre Meinung geändert haben sollte, wirst du derzeit kaum nach Wehlau zurückkehren und sie fragen können.«
»Das stimmt.«
Betreten schwiegen sie. Schwer lastete der Gedanke auf ihr, die Mutter und Großmutter in Wehlau ihrem Schicksal überlassen zu haben. Hoffentlich hatte Gott, der Allmächtige, ein Einsehen und ersparte ihnen das Schlimmste!
»Gib es zu: Da ist noch etwas anderes«, setzte sie nach. »Geld, einen eigenen Hausstand zu gründen, wird dir kaum fehlen. Heute früh in Pronitten habe ich gesehen, wie leichtfertig du für einen deiner Kunstdiener den gut gefüllten Beutel gezückt hast, um seine Spielschulden zu begleichen.«
Prüfend sah sie ihn an, wartete, ob er etwas zu seiner Verteidigung erwidern würde.
»Oder ist es das, weshalb dir die Mittel zum Heiraten fehlen: Alles, was du verdienst, opferst du für deinen Kunstdiener! Aber warum? Ist er dir am Ende wichtiger als ich?« Über ihren Worten war ihre Stimme laut geworden.
»Agnes, Liebste!«, suchte Laurenz sie zu beschwichtigen. »Wie kommst du nur auf solche Gedanken?« Er streckte die Hand aus, um sie zu berühren. Sie wich ihm aus.
Sie fühlte sich wie gelähmt. Schwerfällig wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Kaum ein frischer Luftzug wehte herein, um für etwas Abkühlung zu sorgen. Seit Wochen, so schien es, sammelten sich alle Ausdünstungen von Mensch, Vieh und Arbeit unter der unsichtbaren Glocke des Himmels.
»Heinrich Wollrode ist einer der besten Kunstdiener, die man finden kann«, erklärte Laurenz. »Als sein Meister stehe ich für ihn ein. Doch das, meine Liebe, ist nicht der Grund, warum ich noch ein oder zwei Jahre brauche, bevor ich mich als Werkmeister in einer Stadt niederlassen und einen Hausstand gründen kann.«
»So? Was dann?«
»Ich bin noch nicht so weit. Ich brauche weitere Erfahrungen auf Baustellen, um meine Kunst so zu beherrschen, wie ich es für nötig halte. Das habe ich damit gemeint, wenn ich gesagt habe, mir fehlten noch die nötigen Mittel, einen Hausstand zu gründen.«
»Heiraten kannst du mich doch trotzdem schon!« Von jetzt auf gleich empfand Agnes neuen Mut. »Ich brauche kein eigenes Haus, kein eigenes Gesinde. Gern ziehe ich mit dir umher. Wenn ich bei dir bin, nehme ich alles hin, wie es ist.«
»Agnes, Liebelein, das geht nicht«, entgegnete er leise. »Ich kann dich nicht mit zu den Kreuzherren oder zu anderen Auftraggebern nehmen. Du bleibst bei meiner Muhme, bis ich so weit bin und dich hole. Vertrau mir, alles wird gut.«
Damit hielt er den Streit für beendet, fasste sie an der Hand und ging weiter. Ihr blieb nichts anderes, als ihm zu folgen.
»Du denkst immer nur an dich!«, entfuhr es ihr enttäuscht. »Aber vergiss nicht: Du kannst mich nicht mehr einfach so im Stich lassen. Du bist mir verpflichtet!«
Jäh fuhr er herum, umfasste ihre Schultern und funkelte sie plötzlich zornig an: »Glaub nicht, das wüsste ich nicht!«
So hatte sie ihn noch nie erlebt! Angst überfiel sie, er könnte sie im Stich lassen. Sie wollte etwas erwidern, brachte jedoch keinen Ton heraus.
»Agnes, Liebelein«, setzte er ruhiger an, »ich weiß, wie sehr du dich fürchtest, allein hier im Löbenicht zu bleiben. Doch glaub mir: Es gibt keinen besseren Menschen auf Erden als meine Muhme Agatha Streicher. Sie wird dir beistehen, was auch immer kommen mag.«
Er schlang die Arme um
Weitere Kostenlose Bücher