Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
sie ihn wieder ein.
    Eine eigenartige Stimmung empfing sie dort. Jedwede Unterhaltung, wie sie sonst vor den Toren üblich war, schien unterbrochen. Mehrere Reiter mit den weißen Mänteln der Kreuzherren hatten sich fügsam in die Schlange vor dem Tor eingereiht. Trotzdem achteten die Menschen auf Abstand. »Komm her!«, rief eine Frau ängstlich ihr Kind, das gewagt hatte, sich breitbeinig vor einen der Ordensritter zu stellen. Ein Mann schob seinen Karren absichtlich weit aus der Reihe, um den Reitern nicht zu nahe zu kommen. Auch die Ordensritter beäugten die Bürger von ihrer erhöhten Warte aus misstrauisch. Die Torwachen indes ließen sie besonders lange warten, bevor sie ihnen Einlass in die Altstadt gewährten. Agnes atmete auf, als die Reiter endlich im Getümmel der angrenzenden Straße verschwanden. »Sieht man die Weißmäntel oft in der Stadt?«, wollte sie den Knecht fragen. Der aber war schon weitergehastet. Wieder musste sie sich beeilen, um zu ihm aufzuschließen.
    Auf der Altstädter Langgasse war das Gedränge noch dichter als im Löbenicht, auch hier zog es alle zum Markt. Zu ihrem Bedauern fand Agnes kaum Gelegenheit, sich die Straßen und Häuser genauer anzusehen. Dabei hatte Laurenz ihr davon vorgeschwärmt, dass die Altstadt als die älteste der drei Städte Königsbergs viel prächtiger sei als der Löbenicht. Dort lebten weitaus mehr Kaufleute, die ihr Vermögen mit Geschäften bis weit in den hohen Norden und sogar bis in südliche Gefilde machten. Die höheren und breiteren Gebäude ließen das gleich erkennen. Im Stillen freute sich Agnes, dank Laurenz einen Blick dafür erhalten zu haben. Viele Häuser verfügten bereits über Fenster, die selbst im Untergeschoss vollständig aus Glas gefertigt waren. Dafür verschwanden mit jedem Schritt in die Altstadt hinein die offen stehenden Werkstätten, vor denen gehämmert oder geschmiedet, gelegentlich auch genäht und gewebt wurde. Ebenso verflog der aus dem Löbenicht vertraute Malzgeruch. Dafür spazierten viele prächtig gekleidete Menschen mitten über die gepflasterte Straße. Nur wenige Hühner, Katzen oder Hunde kreuzten ihren Weg. Die Krämerinnen und Händler machten ehrfürchtig Platz. Davon hatte auch Agnes ihren Vorteil und erreichte endlich wieder den Knecht mit seinem Karren. An seiner Seite gelangte sie zum Altstädter Markt.
    An den Buden und Bänken boten Händler aus nah und fern Waren feil. Agnes erfasste schnell, um wie viel reichhaltiger und ausgefallener das Angebot war als in Wehlau. Neben stark duftenden Gewürzen, prächtigen Stoffen, kostbaren Bändern und allerlei Tand, bestem Leder und ausgesuchten Pelzen fanden sich gleich mehrere Stände mit Büchern und Pergamenten.
    An einer Garküche am Rand des Platzes erhob sich Aufruhr. Heftig loderte das Feuer unter einem Kessel, in dem der Koch rührte. Mehrmals schwappte dabei von der fetten Brühe über den Rand. Die Flammen schlugen auf, zischten und tanzten außen an der Kesselwand hoch. Eine stetig wachsende Zuschauerzahl verfolgte das unter begeistertem Johlen. Das spornte den Koch zu immer noch eifrigerem Rühren an.
    »Bist du des Wahnsinns? Lösch das Feuer. Sofort!« Laut brüllend hielt ein Büttel auf die Ecke zu, die Lanze bereits erhoben. Jäh stoppte Meister Jörgens Knecht genau in Höhe der Bude. Agnes fürchtete bereits, er wollte sich in das Gezänk einmischen, da tauchte eine Gruppe Gaukler auf und schob sich zwischen den Knecht und die Garküche. Die Schellen des voranhüpfenden Narren klingelten hell, eine aufreizend schöne Frau in buntem Fetzenkleid schob sich an den grimmigen Knecht heran. Lachend legte sie ihm den Arm um den Nacken. »Lass das!«, befreite er sich.
    Agnes nutzte den Moment, ihn am Arm zu zupfen und zum Weitergehen zu bewegen. Der Weg war nicht mehr weit. Schon nach kurzer Zeit nickte der Knecht auf eines der Gebäude an der nördlichen Längsseite des Marktes, direkt gegenüber dem Brunnen. »Wir sind da!«, knurrte er.
    Neugierig besah Agnes sich das Haus. Der Goldene Hase entpuppte sich als eines der prächtigsten Häuser der Reihe. Der Stufengiebel des mehrgeschossigen Baus wirkte noch recht frisch. Die Steine stammten gewiss von der nahen Ordensburg. Vor dem Eingang des Anwesens stand ein stattlicher Mann. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den schweren Kopf auf dem kurzen Hals nach vorn geschoben, wirkte er sehr massig.
    »Wo bleibst du nur?«, herrschte er den Knecht an und zog ihn an den Ohren. »Denkst du, die

Weitere Kostenlose Bücher