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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Felbert wartet bereits ungeduldig. Jeden Tag kann es bei seiner Frau so weit sein. Mit dem Geschenk will er sie aufheitern. Wollen wir hoffen, es gelingt ihm.«
    Sie zwinkerte Agnes vergnügt zu, als sie ihr die Borten reichte. »Warte, ich schlage sie dir noch in ein Stück Leinen ein. Dann kann den kostbaren Stücken kein Dreck etwas anhaben.« Noch einmal huschte sie in die benachbarte Werkstatt, kehrte kurz darauf mit dem Leinen zurück und wickelte es um die Borten. Zufrieden reichte sie sie Agnes.
    »Auf den Königsberger Gassen hast du nichts zu befürchten«, raunte sie ihr zu. »Das hast du allein Mohrs Begeisterung für unser frisches Bier zu verdanken. Überall erzählt er herum, wie gut sich
meine Nichte aus Labiau
aufs Brauen versteht. Es ist schön zu erleben, auf meine alten Tage noch einmal Familienzuwachs zu erhalten.«
    In ihren verschiedenfarbigen Augen funkelte es. Leise flüsterte sie Agnes zu: »Erkundige dich bei Meister Jörgen nach dem Böttchermeister Rudolf Kelletat. Im Goldenen Hasen laufen so manche Neuigkeiten auf, und Meister Jörgen sagt man ein gutes Gedächtnis nach. Vielleicht erinnert er sich an die alten Geschichten.«
    »Danke«, brachte Agnes heraus. Es überraschte sie, dass die Muhme ihr trotz der Lüge Mohr gegenüber weiterhelfen wollte, mehr über ihren Vater zu erfahren.
    »Schon gut«, winkte Agatha ab. »Ich hoffe allerdings, du erklärst mir bald, was diese Schwindelei mit Labiau bedeuten soll. Ob Laurenz sie gutheißt, bezweifle ich. Dazu ist er ein viel zu ehrlicher Bursche.«
    Ein Stich fuhr Agnes durch die Brust. Der versteckte Vorwurf traf sie zutiefst. Noch dazu, wo auch Laurenz seiner Muhme gegenüber nicht aufrichtig gewesen war.
    »Andererseits erzählt er mir gelegentlich auch nur die halbe Wahrheit«, fügte Agatha im selben Moment hinzu, als errate sie wieder einmal ihre Gedanken. »Mir würde jedoch nie einfallen, mich seinem Glück in den Weg zu stellen. Mach jetzt schnell, Liebes, sonst zieht der Knecht ohne dich los.«
    »Ich werde Euer Vertrauen nicht missbrauchen«, beeilte Agnes sich zu versichern. Fest drückte sie das Päckchen mit den Borten an sich und hastete nach draußen. Der Knecht vom Goldenen Hasen hatte Agathas Fass bereits auf den Karren geladen. Zwischen den großen Fässern von den anderen Brauern nahm es sich recht bescheiden aus. »Endlich«, knurrte er und umfasste die beiden Holme, um das Gefährt anzuschieben. Zögernd folgte Agnes ihm. Der Gesang von Theres und Marie wehte munter aus der offenen Werkstatt auf die Krumme Grube heraus. Sehnsüchtig spähte sie noch einmal zu ihnen hinein. Die beiden waren ganz in ihre Arbeit versunken und bemerkten sie nicht. Enttäuscht wandte Agnes sich um. Sie musste sich beeilen, um mit dem Knecht Schritt zu halten. Allein auf sich gestellt, würde sie den Weg nicht finden.

10
    W ährend Agnes darauf achtete, im dichten Gedränge auf der abschüssigen Krummen Grube den Karren mit den Bierfässern nicht aus den Augen zu verlieren, schwirrten ihr die wildesten Überlegungen durch den Kopf. Agathas Verhalten verwirrte sie. Einerseits unterstützte sie sie tatkräftig, andererseits verhielt sie sich ihr gegenüber oft distanziert. Zwar durchschaute sie, wie Agnes und Laurenz in Wahrheit zueinander standen, versagte sich jedoch jede Stellungnahme dazu. Wie aufrichtig war Agatha eigentlich selbst, während sie bei anderen so auf Aufrichtigkeit pochte? Auch bei den beiden Mägden wusste Agnes nicht so recht, wie sie ihr Verhalten einschätzen sollte. Insbesondere die vorlaute Theres, die mit ihrem Neid über Agnes’ Liebesglück nicht hinter dem Berg hielt, galt es mit Vorsicht zu betrachten. Vielleicht hegte sie heimliche Gefühle für Laurenz? Im Weiterlaufen stieß Agnes sich den Zeh an einem Stein. Der jähe Schmerz riss sie aus ihren Grübeleien. Als sie den Kopf hob, erschrak sie. Wo steckte der Knecht? Suchend schaute sie sich um.
    Eine Unzahl von Burschen mit ähnlich vollbeladenen Karren war auf der Gasse unterwegs. Dazwischen drängten sich Mägde und Handwerker, Hütejungen und Bauern, die ihre Früchte verkaufen wollten. Aus den Kiezen duftete es verführerisch nach frischen Äpfeln und Birnen. Endlich erspähte Agnes den breiten Rücken des Knechts vom Goldenen Hasen. Flink lavierte er den Karren bereits ein gutes Stück entfernt durch das vormittägliche Getümmel auf dem Löbenichter Markt. Agnes musste sich sputen, ihm nachzukommen. Erst kurz vor dem Löbenichter Tor zur Altstadt holte

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