Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
was das Bier zwar haltbar, aber auch sehr herb macht. Zum anderen liegt es am Wasser, das man hier verwendet. Natürlich ist es nicht das gleiche wie in Danzig. Glaubt mir, selbst wenn alle hier nach derselben Rezeptur brauen würden wie dort, würde man den Unterschied schmecken.«
    »Ihr versteht Euch wirklich auf Eure Kunst. Wollen wir hoffen, Ihr bleibt Eurer Muhme noch lange als Hilfe erhalten.« Freudig rieb er sich die riesigen Hände. Seine Augen leuchteten aus dem geröteten Gesicht.
    »So richte ich also meiner Muhme aus, dass Ihr noch ein weiteres Fass von ihr haben wollt?«
    »Eins?« Lachend sah er sie an. »Eins jede Woche wäre gut. Oh, ich sehe schon: Bald wird Eure Muhme die Bortenmacherei aufgeben und beim Löbenichter Rat um eine Erweiterung ihres Braurechts bitten müssen. Doch richtet Eurer Muhme bitte Folgendes aus, mein liebes Kind.« Abermals beugte er den fast kahlen Schädel zu ihr herunter. »Passt gut auf, dass Ihr es Euch nicht mit den Altstädtern und Kneiphöfern verderbt. Dringt der Ruf Eures Bieres erst einmal zu weit über den Löbenicht hinaus, kann das Ärger geben. Gewiss ist Euch schon zu Ohren gekommen, wie argwöhnisch sich die Bürger der drei Städte hier am Pregel beäugen. Gerade nach den Geschichten der letzten Monate und dem Aufstand gegen die Kreuzherren auf dem Kneiphof tut es nicht gut, zwischen die Fronten zu geraten.«
    »Ihr wisst gut Bescheid.«
    »Das will ich meinen, liebes Fräulein.« Stolz blähte er die Brust, verschränkte die Arme vor dem feisten Leib. »Schon mein Vater und meines Vaters Vater sowie gewiss auch dessen Vater haben hier an dieser Stelle ihre Schankwirtschaft betrieben. Damals war das Haus allerdings noch weitaus kleiner. Die Hofstellen hier in der Altstadt verfügen nur über beschränkten Raum. Erst im letzten Jahr habe ich das Gebäude nach oben hin vergrößern können. Der gute Laurenz Selege, der Neffe Eurer lieben Muhme, ist übrigens mein Baumeister. Ein tüchtiger Bursche! Doch wozu sage ich Euch das? Ihr als seine Base müsst ihn besser kennen als ich.«
    Agnes’ Antlitz glühte. Rasch senkte sie den Blick.
    »Mir scheint, Ihr hättet noch etwas auf dem Herzen, liebes Fräulein. Nur keine Scheu, fragt mich rundheraus, was immer Ihr wissen wollt.«
    Zaghaft erwiderte sie sein Lächeln. »Meine Muhme hat mir gesagt, Ihr könntet mir mehr über den Böttchermeister Kelletat erzählen. Ihr habt wohl früher öfter mit ihm zu tun gehabt.«
    »Meint Ihr den aus dem Löbenicht? Ein kluger Mann! Er hat die besten Fässer hier am Pregel gefertigt. Doch warum fragt Ihr? Eure Muhme wird Euch auch gesagt haben, dass er schon lange tot ist.« Verwundert musterte er sie noch einmal von Kopf bis Fuß. Wieder errötete Agnes. Es fiel ihr schwer, Meister Jörgens Blick standzuhalten. Unmöglich konnte sie ihm ihre ganze Geschichte erzählen. Also musste sie ein wenig lügen. Das bedauerte sie, doch welche Wahl blieb ihr, um die Wahrheit herauszufinden?
    »Mein verstorbener Vater hat ebenfalls mit ihm zu tun gehabt und viel von ihm gesprochen. Da habe ich mir gedacht, wenn ich einmal hier am Pregel bin, frage ich nach dem braven Mann. Wenn er meinem Vater so am Herzen gelegen hat, wüsste ich gern, was aus ihm geworden ist.«
    »Dann hat Euer Vater wohl auch Fässer bei ihm fertigen lassen? Sagt, wie war noch sein Name?«
    »Fröbel«, entfuhr es Agnes, noch ehe sie es recht überlegt hatte.
    »Fröbel aus Labiau? Und dort haben Eure Eltern einen Krug?« Verwundert schüttelte er den massigen Schädel.
    »Nein, nein!«, beeilte sie sich zu versichern. Sie hatte es geahnt: Eine Lüge zog die nächste nach sich. Stellte sie jetzt richtig, dass Fröbel die Schankwirtschaft in Wehlau betrieben hatte, war es ein Leichtes für Meister Jörgen, alles über sie herauszufinden. Dann war es nur eine Frage der Zeit, bis ihre Mutter erfuhr, wo sie war.
    »Ach, was spielt es für eine Rolle!«, erlöste der Krüger sie von ihren Befürchtungen. »Kelletat ist lange tot. Ihr wart wohl nicht einmal geboren, als das Unglück den braven Mann getroffen hat. Soweit ich weiß, lebt niemand von seiner Familie noch hier. Wem schadet es also, darüber zu reden? Vielleicht hilft es ihm da oben im Himmel, wenn wir ihn uns noch einmal in Erinnerung rufen.« Er hielt inne, senkte den Kopf und bekreuzigte sich, um schließlich mit rauher Stimme fortzufahren: »Siebzehn Jahre ist es her, dass der brave Mann gestorben ist. Das weiß ich deshalb so gut, weil meine gute Milla im

Weitere Kostenlose Bücher