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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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konnte, welche sie meinte, griff sie sich zwei beliebige Stücke von dem erstbesten Haufen, warf die Münzen auf den Tisch und zog Agnes mit sich fort.
    Es entging ihr nicht, wie widerstrebend die Siebzehnjährige ihr folgte. Es kümmerte sie nicht. Sie hatte es eilig, auf die andere Seite des Marktplatzes zu gelangen. Viel zu lang schon ließ sie die beiden Kaufleute aus Königsberg dort warten.
    »Warte doch!«, rief Agnes und stolperte ihr nach. »Bleib einmal kurz stehen und erklär mir das alles. Woher kennst du den Namen dieses Mannes?«
    »Wieso bist du so vertraut mit ihm?« Gunda missfiel, wie laut Agnes sprach. Sie blieb so abrupt stehen, dass das Mädchen regelrecht in sie hineinlief. Einen Moment verhakten sich ihre Blicke. Agnes hatte die bernsteinfarbenen Augen ihres Vaters geerbt. Ein weiterer bitterer Zug des Schicksals, sie auf Schritt und Tritt an ihn zu erinnern.
    »Es hat den Anschein, liebes Kind, dass dir dieser Herr im Gegensatz zu mir alles andere als fremd ist. Denk an deinen guten Ruf!«
    Schuldbewusst senkte Agnes den Blick. Dennoch spürte Gunda, dass es weiter in dem Mädchen arbeitete. Schon hob sie wieder den Kopf. »Verzeih, Mutter, aber ich habe mich eben ganz gewiss nicht getäuscht. Laut und deutlich hast du den Herrn Laurenz Selege genannt. Mit diesem Namen hat er sich mir gestern in unserem Gasthaus vorgestellt.«
    »Was?« Gunda rang abermals um Fassung.
    »Ganz gleich, ob du nun zugeben willst oder nicht, dass du ihn kennst: Sag mir, was an seiner Behauptung dran ist, du wärest diese Gunda Kelletat aus Königsberg!«
    Einen Moment meinte Gunda, der Erdboden zu ihren Füßen täte sich auf, und die finsteren Mächte der Hölle streckten ihre spitzen Krallen nach ihr aus. Sie schwankte, schloss die Augen, flehte den heiligen Georg um Hilfe an. Ritterlich sollte er ihr zur Seite stehen, wenn er ihr schon den klugen Fröbel entrissen hatte.
    Zacharias schien tatsächlich ein gutes Wort bei dem Drachentöter für sie eingelegt zu haben. Als sie die Augen wieder öffnete, fühlte sie ihre gewohnte Kraft zurückkehren. Erstaunlich gelassen hörte sie sich selbst feststellen: »Mag sein, dass ich vorhin den Namen des Schwarzbärtigen gemurmelt habe. Ich muss ihn kurz zuvor aufgeschnappt haben. Hast du ihn nicht mit diesem Namen angesprochen? Ach, das spielt alles keine Rolle! In jedem Fall täuschst du dich: Ich weiß nicht, wer der Herr ist und was er von mir will. Es kümmert mich auch nicht, was er über diese Frau gesagt hat. Das Einzige, was mich kümmert, ist, dass wir viel zu spät dran sind, um die Kaufleute aus Königsberg zu treffen. Wir sollten sie nicht verärgern. Wir sind auf sie angewiesen, um unsere weiteren Geschäfte abzuwickeln. Du weißt, wie die Lage hier bei uns im Ordensland ist. Wir müssen an unsere Zukunft denken.«
    Schon schickte sie sich an weiterzugehen, da hielt Agnes sie abermals zurück. »Hätte ich einen Bruder, würdest du dann auch so mit mir umgehen?«
    »Wie kommst du nur auf diesen Unsinn?« Schleppend brachte Gunda das heraus, schwankte abermals. Schneller als erwartet drohte die mühsam wiedergefundene Kraft erneut zu versiegen.
    »Wahrscheinlich nicht.« Agnes blieb unerbittlich. »Dann hättest du
ihn
mit zu diesen Geschäften genommen und nicht mich. Ich würde keine große Rolle in deinem Leben spielen. Ein Sohn ist nun einmal eher dafür gemacht, Geschäfte zu tätigen. Mit dem kann man mehr anfangen als mit einer Tochter. Die gilt es nur gut zu verheiraten, alles andere zählt nicht.«
    »Was redest du da für törichtes Zeug?« Fassungslos starrte Gunda sie an. Wie kam das Mädchen ausgerechnet jetzt auf diese Idee? Was hatte der Schwarzbärtige ihr erzählt? Gunda meinte, zu Boden sinken zu müssen. Es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, Halt an einer der Brotbänke zu finden, die rechts und links des Weges standen.
    Erbarmungslos erwiderte Agnes ihren Blick. So schwer es ihr fiel, zwang sich Gunda, nicht auszuweichen und ihr so ruhig wie möglich zu versichern: »Du weißt gar nicht, was du da sagst. Wieso hätte ich mich je nach einem Sohn sehnen sollen? Für Fröbel und mich warst du stets das größte Glück unseres Lebens.«

5
    F or heaven’s sake!
Editha hasste es, wenn Gernot derart herablassend mit ihr sprach. Erzürnt wandte sie sich von ihrem Gemahl ab und trat ans Fenster. Ihre kleinen Hände ballten sich zu Fäusten, ihr gedrungener Körper bebte vor Zorn. Durch das offen stehende Fenster strömte milde Frühlingsluft

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