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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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benehmen hat. Vielleicht sollte er sich ein Beispiel an seiner Schwester nehmen.«
    Caspars Gesicht verfärbte sich glutrot. Voller Scham sah er zu Boden. Vorsichtig lockerte der Weißhaarige seinen Griff. Der Knecht grinste frech und hob mit einem triumphierenden Zungenschnalzer den Kopf.
    »Du aber hast auch noch einiges zu lernen«, wandte sich der Wirt an ihn. »Selbst wenn ein Gast hochnäsig in den Stall reitet, ist dir noch lang nicht erlaubt, einen Streit vom Zaun zu brechen. Begegnest du ihm dann besonders höflich, wird er schon von allein draufkommen, wie fehl am Platz sein Auftreten ist. Tut er das nicht, gibt es noch andere Mittel, ihn zur Vernunft zu bringen, verlass dich drauf.«
    Mahnend versetzte er dem Burschen einen Tritt in den Hintern und nickte dem Weißhaarigen zu, der Caspar nun ebenfalls losließ. Zu Agnes’ Erstaunen ging ihr Bruder geradewegs zu dem Knecht und streckte ihm die Hand entgegen. »Tut mir leid. Ich werde es bestimmt nicht wieder tun.«
    Zunächst zögerte der Knecht, dann ergriff er mit einem breiten Lächeln die Hand und schüttelte sie überschwenglich.
    »Gut«, erklärte der Wirt. »Dann sind wir uns einig. Künftig führt Ihr Euer Pferd zu Fuß in den Stall, und du, mein Lieber, nimmst es mit Diensteifer entgegen.« Der Knuff, den er seinem Knecht versetzte, fiel fürsorglich aus.
    »Das ist ja noch mal gutgegangen«, wandte Agnes sich an Caspar. »Es schadet wohl kaum, wenn du in Zukunft gelegentlich auf meinen Rat hörst.«
    »Schon gut, ich habe verstanden.« Erschöpft nickte er und wandte sich an den Wirt. »Werdet Ihr meine Schwester und mich trotzdem für heute Nacht beherbergen?«
    »Allein Eurer Schwester zuliebe«, erwiderte der Wirt und schmunzelte. »Verratet mir bitte nur, mit wem ich überhaupt die Ehre habe?«
    »Nur zu gern«, kam Agnes Caspar zuvor und nannte dem Wirt ihre Namen, wobei sie, um ihn nicht zu verwirren, sich selbst mit dem Familiennamen Fischart bedachte.
    Im selben Moment trafen der Narbige und zwei Büttel mit hoch erhobenen Piken vor dem Gasthaus ein. »Was ist hier los? Wo stecken die Übeltäter?«
    »Es hat sich alles geklärt«, wiegelte der Wirt ab.
    »Seid Ihr sicher?« Drohend blickten die Büttel in die Runde. »Ihr wisst, welches Gesindel derzeit allerorten unterwegs ist.«
    »Habt vielen Dank, Ihr Herren, ich weiß es nur zu gut. Darf ich Euch mit einem Krug Bier vergelten, dass Ihr so schnell zur Stelle wart?« Trotz seiner unterwürfigen Haltung war der Spott aus den Worten des Wirts herauszuhören. Grinsend gewährte er den Bütteln den Vortritt in die Gaststube.
    »Sagt, lieber Fischart, was führt Euch und Eure Schwester eigentlich zu uns nach Marienburg?«, wandte sich der Wirt schließlich an Caspar, während er ihm höchstpersönlich eine Schale mit Suppe sowie einen Becher Bier hinstellte. Längst hatte Caspar neben seiner Schwester Platz genommen. Agnes entging nicht, wie aufmerksam der Weißhaarige den Bruder musterte. Kaum wurde er ihres Blickes gewahr, lächelte er und wandte sich seinem direkten Nachbarn zu. Caspar indes schob sich erst einmal hungrig einen Löffel Suppe mit einem großen Stück Fleisch in den Mund, statt dem Wirt zu antworten.
    »Wir wollen zur Festung und den Baumeister Laurenz Selege sprechen«, erklärte Agnes an seiner Stelle. »Seit längerem schon soll er dort zusammen mit Meister Jagusch aus Danzig tätig sein«, schob sie nach, als sie des Befremdens auf dem Gesicht des Wirts gewahr wurde. »Kennt Ihr die beiden?«
    »Soso, Ihr sucht also die Baumeister Selege und Jagusch.« Nachdenklich rieb sich der Wirt den struppigen Bart. Seine Fingernägel waren schwarz gerändert. In der rissigen Haut auf der Hand zeichneten sich ebenfalls dunkle Spuren ab.
    »Was ist dabei?« Agnes wurde unbehaglich.
    »Was wollt Ihr von den beiden?«, gab der Wirt zurück.
    »Ich muss dringend zu Baumeister Selege. Er ist doch mein …« Mitten im Satz brach sie ab. Was fragte der Wirt so beharrlich nach? Es ging ihn gar nichts an, wen sie warum suchte. Oder bildete sie sich das nur ein? Das häufige Lügen der letzten Tage war ihr aufs Gemüt geschlagen. Kaum wusste sie mehr, wem sie wann was erzählt hatte. Zudem meinte sie aus jeder Bemerkung einen Vorwurf herauszuhören. Sie schluckte, überlegte fieberhaft und setzte schließlich hinzu: »Vor ein paar Wochen ist ein Brief von ihm bei meiner Muhme eingetroffen. Deshalb hat sie uns losgeschickt, um ihn aufzusuchen. Kennt Ihr ihn?«
    »Nein«, erklärte der

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