Gold und Stein
und Agnes?«, wiederholte Gernot krächzend.
Good grief!
Was hatte sie da schon wieder angerichtet? Es war nicht zu übersehen, dass er von diesem Namen zutiefst getroffen war. Hastig sprang sie auf, rückte ihm einen Stuhl hin, tätschelte ihm die Schulter. Er hatte recht: Sie war nicht ganz bei Sinnen. Nachdem sie zwei Tage lang gar nichts mehr eingenommen hatte, musste das Pulver der Hundskötterin ihr nun das Hirn umso stärker vernebeln. Sie fühlte sich außerstande, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, eine weiterreichende Überlegung zu treffen. Mit jedem neuen Wort, jeder weiteren Erklärung verrannte sie sich weiter in der ausweglosen Situation. Es fehlte nicht viel, und sie erzählte ihm alles, was er besser niemals erfuhr: dass Gunda in der Stadt aufgetaucht und Caspar drauf und dran gewesen war, sich in die eigene Schwester zu verlieben. Besser, sie sagte vorerst gar nichts mehr, sonst wurde alles nur schlimmer. Verzweifelt biss sie sich auf die Lippen, sah immer wieder argwöhnisch zu Gernot. Er war gefährlich ruhig geworden. Im Dämmerlicht wirkte sein Antlitz eher blass denn zornesrot wie noch vorhin.
»Du weißt also, wer Agnes ist«, setzte er an.
»Ich …«, wollte sie erwidern, er aber bedeutete ihr zu schweigen.
»Umso erstaunlicher, dass du ihren Namen so ruhig aussprichst und mir wie selbstverständlich erzählst, Caspar wäre mit ihr zusammen unterwegs. Wohin sind die beiden? Wie lange sind sie schon fort? Hast du eine Ahnung, weshalb sie unterwegs sind? Hast du überhaupt auch nur ein einziges Mal dein englisches Spatzenhirn in Bewegung gesetzt, um dich mit der Lage der Kinder zu befassen? Oh, entschuldige, ich vergaß! Die Tropfen und Pulver der Hundskötterin haben das verhindert. Die vernebeln dir das Hirn, bis du gar nicht mehr weißt, wo vorn und hinten ist, und töricht wie ein Lamm tust, was die elende Hebamme will. Wann wachst du endlich auf und begreifst, welches Spiel sie mit dir spielt, was sie in den vergangenen siebzehn Jahren mit uns beiden gespielt hat?«
For heaven’s sake!
Jetzt hatte sie aber genug. Sie beugte sich vor, stützte die Hände auf seine Schultern und neigte das Gesicht ganz nah zu seinem. Leise sprach sie: »Die Hundskötterin spielt gar kein Spiel mit mir, mein Lieber, das solltest du endlich begreifen. Mit ihren Tropfen ist es ohnehin vorbei. In einer Zeit aber, in der du mich mal wieder mit allem allein gelassen hast, ist sie zu mir gekommen und hat mir geholfen. Und das, wie du nur zu gut weißt, nicht zum ersten Mal in unserem gemeinsamen Eheleben. Genau wie damals vor siebzehn Jahren hat sie im Gegensatz zu dir auch dieses Mal sogleich gewusst, was zu tun ist. Selbstlos hat sie mir beigestanden, als diese Agnes und zudem noch Gunda bei Caspar und mir aufgetaucht sind und mich der unglaublichsten Dinge bezichtigt haben. Wäre die Hundskötterin nicht gewesen, mein Lieber, dann hätten wir nicht nur unseren geliebten Caspar, sondern auch die neue Frucht in meinem Leib ein für alle Mal verloren. Dank ihrer Hilfe aber«, langsam richtete sie sich auf, reckte den Zeigefinger in die Luft und ließ ihre Stimme bedeutungsvoll anschwellen, »dank der Hundskötterin aber haben wir jetzt auch eine Tochter.«
»Was?« Verständnislos starrte er sie an.
»Ja, du hast recht gehört: Wir haben nun beide Kinder. Wenn du dich an jene Tage vor siebzehn Jahren erinnerst, so ist es wirklich höchste Zeit gewesen, dass auch Agnes zu uns findet. Das arme Ding! Was wäre ihr nicht alles an düsteren Erlebnissen erspart geblieben, wenn du damals schon den Mut aufgebracht hättest, dich Gunda zu widersetzen. Es hätte nur eines einzigen entschlossenen Schrittes bedurft, ihr auch das Mädchen aus den Armen zu reißen und die meineidige Metze für immer aus dem Haus zu jagen. Was hätte sie dagegen tun wollen? Sie hätte es ebenso hinnehmen müssen, wie sie es bei Caspar hatte tun müssen. Wer hätte ihr auch nur einen Funken Glauben geschenkt, wenn sie darauf bestanden hätte, es wären ihre Kinder? Viel zu ähnlich haben sie dir gesehen, sogar dasselbe Mal wie du haben sie beide im Nacken getragen. Gunda hat das auf Anhieb begriffen und nicht länger darauf bestanden, Caspar zurückzufordern. Um ihren eigenen Hals zu retten, ist sie deshalb mit ihrer Mutter und dem Mädchen so schnell wie möglich aus der Stadt fort und hat sich nie mehr hier blicken lassen. Ach, Gernot, warum bist du nur so feige gewesen und hast ihr nicht auch noch das Mädchen
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