Gold und Stein
loszukommen.
Eine zarte Regung im Unterleib ließ sie aufhorchen. Beglückt strich sie mit der Hand über ihren Bauch. Frieden breitete sich in ihr aus. Das Kind war gerettet, das wusste sie. Nichts und niemand konnte ihr dieses späte Glück noch entreißen.
13
E s war bereits später Nachmittag, als Agnes zusammen mit Laurenz und Caspar endlich Königsberg erreichte. Den ganzen Tag dräuten bereits dunkle Wolken am Himmel. Es war kaum zu unterscheiden, ob die Dämmerung anbrach oder nur weiterer Regen bevorstand. Unerbittlich blies der eisige Ostwind über das hügelige Land um die drei Städte am Pregel, fegte die Regenwolken wie ein ungeduldiger Hirte seine Herde vor sich her. Nur wenige Fuhrwerke und Reisende waren unterwegs. Wer konnte, blieb zu Hause und verrichtete in der Nähe eines warmen Ofens seine Arbeit.
Agnes, Laurenz und Caspar näherten sich den Städten von Süden her. Majestätisch schälten sich die Umrisse der Dächer und Zinnen am Horizont heraus, überlagert von der Burganlage, die auf einem Hügel oberhalb der Altstadt thronte. Schweigend überquerten sie den Alten Pregel über die Grüne Brücke und gelangten so in den Kneiphof. Der Wind trieb auch innerhalb der Stadtmauern sein Unwesen, wirbelte allerorten Laub und Dreck auf, zerrte an den Fensterläden und brachte das Gebälk der Dächer und Gerüste zum Knarren. Mit tief ins Gesicht gezogener Gugel, die Schultern mit einer dicken Decke umhüllt, trieb ein halbwüchsiger Junge zwei Schweine über die Straße. Sobald die Tiere stehen bleiben und auf der Erde nach Essbarem wühlen wollten, schlug er sie mit einem Stock. Empört quiekten die Tiere auf, trippelten weiter. Ein abgemagerter Hund querte ihren Weg, knurrte die Schweine an, zog vor dem Stock des Jungen allerdings rasch den Schwanz ein und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Ein altes Weib schimpfte, trat mit dem Fuß nach dem Köter, bevor es der beiden Pferde mit den drei Reitern ansichtig wurde. »Bitte eine milde Gabe, meine Herrschaften«, krächzte sie und reckte eine vom Alter gekrümmte Hand empor. Agnes schauderte beim Anblick des faltenüberzogenen Gesichts, aus denen zwei erstaunlich junge, grüne Augen hervorstachen. Laurenz, mit dem sie auf dem stolzen Braunen voranritt, kramte unterdessen in seinem Rock, zog ein paar Münzen hervor und ließ sie auf die offene Handfläche rieseln. »Gott behüte Euch, mein Herr, auf all Euren Wegen und schenke Euch und Eurer Liebsten zahlreichen Kindersegen!«
Ob dieser Worte errötete Agnes, Laurenz indes schmunzelte belustigt. »Habt vielen Dank, liebe Frau!« Kurz lupfte er sein Barett, dann trieb er das Pferd wieder an.
Wenige Ecken weiter lenkte er es nach rechts in die Brodbänkengasse und hielt geradewegs auf den Dom zu. So mied er den Weg über die Krämerbrücke und den Altstädter Markt, der sie direkt am Fischartschen Haus vorbeigeführt hätte. Erleichtert atmete Agnes auf, auch Caspar dankte Laurenz für die Umsicht mit einem knappen Nicken.
Die beiden mächtigen Türme des Doms wirkten in der Dämmerung noch trutziger als sonst. Der Petersplatz davor, auf dem sich zahlreiche Buden von Handwerkern und Krämern befanden, war wie leer gefegt. Die Stände waren verrammelt, die Tische verräumt. Als Laurenz nach links zur Schmiedebrücke einschwenkte, schob sich Agnes fröstelnd näher nach hinten, um an seiner Brust Schutz gegen die Kälte zu finden. Seinen warmen Atem im Nacken zu spüren hatte ihr während der letzten Tage zu Pferd Zuversicht gespendet. Anders als Caspar verstand sich Laurenz nicht nur gut aufs Reiten, sondern war ihr zudem ein angenehmerer Sattelkumpan. Sie kostete jede Gelegenheit aus, seinen Körper zu berühren, seine Nähe zu spüren. Ohne dass es ausgesprochen werden musste, wusste sie: Zwischen ihnen war alles wieder gut. Das verlieh ihr Zuversicht für die bevorstehenden Auseinandersetzungen. Besorgt sah sie zu Caspar. Nach wie vor ritt er gleichauf mit ihnen. An seinem angestrengten Blick nach vorn und dem sichtlichen Bemühen, den Braunen auf Abstand zu Laurenz’ Pferd zu halten, las sie ab, wie wenig ihm die derzeitige Lage behagte. Ihm fehlte jemand zum Anlehnen, um Kraft für das Kommende zu gewinnen.
Endlich erreichten sie das Löbenichter Tor. Von dort war es nicht mehr weit bis zum Haus der Muhme an der Krummen Grube. Bei ihrem Aufbruch in Brandenburg am Haff hatten sie beschlossen, zuerst dorthin zu reiten. Bei der Streicherin wollten sie sich stärken und mit Neuigkeiten
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