Gold und Stein
habe Hunger«, herrschte Editha sie an und scheuchte sie fort wie eine lästige Fliege. Kaum verklang das Schlurfen auf dem Flur, wandte sie sich dem Spiegel zu und kämmte ihr aschblondes Haar. Dank der Schwangerschaft glänzte es mehr als zuvor. Es fühlte sich samtweich und füllig an. Zufrieden drehte und wendete sie den Kopf nach allen Seiten, streichelte zärtlich über die Wangen, fuhr die hohen Bogen der sorgfältig gezupften Augenbrauen nach.
»Gefallt Ihr Euch?«
Editha erschrak. Wie ging das zu? Gerade erst hatte sie Anna mit all den Aufträgen weggeschickt. So schnell konnte die Hebamme nicht auftauchen. Langsam drehte sie sich um und sah der Hundskötterin so ruhig wie möglich entgegen. »Wo kommt Ihr so rasch her? Ich habe gerade erst nach Euch geschickt.«
»Und schon bin ich da! Das ist einzig meiner Sorge um Euer Wohlbefinden geschuldet. Mir war, als müsste ich dringend nach Euch sehen und Euch neue Tropfen bringen«, erwiderte die Hebamme mit einem falschen Lächeln. Geschäftig zeigte sie auf ein Bündel in ihrer rechten Hand und eilte zum Tisch, um es zu öffnen. »Habt Ihr die Tinktur in den letzten Tagen wirklich wie besprochen genommen, auch vor dem Zubettgehen noch einmal fünfzehn Tropfen?«
Forschend sah sie ihr ins Gesicht. Editha senkte den Blick. Ihr wurde heiß. Die wusste alles über sie!
»Geht es Euch gut? Mir scheint, Ihr regt Euch zu sehr auf.« Die Hundskötterin fasste nach ihrem Handgelenk, fühlte den Puls. »Gibt es einen besonderen Grund, warum Ihr bis eben im Bett gelegen habt?«
»Mir war einfach danach.« Editha löste sich aus ihrem Griff, reckte das Kinn, schlenderte langsam zum Tisch. Unauffällig äugte sie auf die verschiedenen Phiolen und Säckchen, die die Hundskötterin flugs dort ausbreitete. Ein scharfer Geruch stieg ihr in die Nase. Um ihn zu vertreiben, wedelte sie mit der Hand durch die Luft. Dabei fühlte sie abermals den Druck im Kopf. Sie presste die Fingerkuppen auf die Schläfen. Plötzlich verlangte sie dringend nach einem der Wundermittel, die die Hundskötterin mischte. Das Hämmern und Klopfen war einfach nicht mehr zu ertragen. Ihr wurde schwindlig. Angst erfasste sie. Schwer atmend stützte sie sich auf den Tisch.
»Nehmt das. Das wird Euch sofort helfen.« Die Hundskötterin öffnete ein dunkles Gefäß und streckte es ihr unter die Nase. Soweit sie erkennen konnte, enthielt es ein helles Pulver. Die Hebamme griff nach dem Löffel an ihrem Gürtel, gab von dem Pulver darauf und reichte ihn ihr. Gehorsam wie ein Kind schluckte sie das trockene Zeug. Es schmeckte furchtbar.
»Bier!«, verlangte sie und konnte kaum abwarten, bis die Hundskötterin ihr davon aus dem Krug in einen Becher goss. In einem Zug stürzte sie es die Kehle hinunter und schüttelte sich. Auf einen Schlag wurde ihr leicht. Der Druck im Schädel verschwand. Sie konnte wieder klar denken und ruhig atmen. Beglückt sah sie die Hundskötterin an.
»Editha, Liebste!« Polternd wurde die Tür aufgerissen, und Gernot stand auf der Schwelle. Editha und die Hundskötterin fuhren herum, als würden sie bei etwas Verbotenem ertappt. Er stockte. Das Strahlen, das auf seinem Gesicht gelegen hatte, erstarb.
»Gernot!«, stieß Editha überrascht aus und stürmte mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Breitbeinig blieb er in der offenen Tür stehen und sah verwundert zwischen ihr und der Hebamme hin und her. Dann begriff er und wirkte mit einmal verärgert. Jäh stoppte sie, ließ die Arme sinken. »Was hast du, Liebster?«
»Schick sie fort! Auf der Stelle. Sonst gehe ich«, knurrte er.
»Aber …«, wollte sie ansetzen. Am Funkeln seiner leicht aus den Höhlen quellenden Augen sowie am Zittern seiner roten Barthaare las sie ab, wie ernst es ihm war.
»Gut«, sagte sie folgsam und drehte sich zur Hundskötterin um. »Ihr seht es selbst: Mein Gemahl ist schneller zurückgekehrt als gedacht. Viel zu lange haben wir uns nicht gesehen. Ihr könnt Euch denken, dass wir beide lieber …«
»Schon gut, schon gut«, winkte die Hundskötterin ab und grinste. »Kümmert Euch nur gut um Euren verehrten Herrn Gemahl. Das hat er nach all der Unbill seiner Reise wirklich verdient. Ich packe rasch meine Sachen, und dann bin ich auch schon weg. Wenn Ihr mich wieder braucht, lasst mich rufen. Denkt daran, Eure Tropfen genau so zu nehmen, wie wir es besprochen haben. Ihr wisst, wie anfällig Ihr in Eurem Alter und Eurem Zustand seid.«
Der drohende Unterton war deutlich herauszuhören. Editha
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