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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Wehlaus sind klug genug, sich nicht auf einen offenen Kampf mit den Ordensrittern einzulassen.«
    »Oder die Ordensritter sind klug genug, nicht auf Wehlau zu ziehen«, erwiderte der Erstere schmunzelnd. »Lasst Euch nicht verwirren, verehrtes Fräulein Agnes. Ich habe schon Eurer Mutter versichert, dass wir uns gewiss bald alle gesund wiedersehen. Solange es Geschäfte zu tätigen gibt, so lange wird auch eine Stadt wie Wehlau in Frieden bestehen. Ihre Lage am Zusammenfluss von Alle und Pregel macht sie einfach zu wichtig. Davon leben auch die Männer mit den weißen Mänteln und dem schwarzen Kreuz. Gehabt Euch wohl!«
    Im Trubel vor dem Alletor hatte Agnes Ulrich aus den Augen verloren. Wahrscheinlich war er längst zum Silbernen Hirschen gegangen. Sie schlüpfte an den Torwachen vorbei, die sie seit langem kannten und einfach nur durchwinkten.
    »Wo hast du nur gesteckt, mein Kind?«, empfing sie Großmutter Lore, als sie die Schankstube betrat. Das weiße Haar quoll unter ihrer Haube hervor. »Wir haben uns große Sorgen gemacht. Ulrich ist schon hinten im Sudhaus. Wie konntest du dir nur so viel Zeit lassen? Ausgerechnet jetzt, wo es in jedem Winkel der Stadt von Söldnern wimmelt. Hast du etwa noch nichts davon mitbekommen?«
    »Doch, doch«, erwiderte Agnes und sah sich in der Schankstube um. Die Nachmittagsstunden waren die ruhigsten des ganzen Tages. Lediglich der Tisch gleich neben der Tür war von einer Handvoll Männer besetzt. Die Köpfe über die Tischplatte geneigt, würfelten sie eifrig. Laut knallte der lederne Becher auf den Tisch, mit großem Getöse purzelten die knöchernen Würfel heraus. Jeder Wurf wurde von Freudenjauchzern oder bösen Flüchen begleitet. Träge fiel das Licht der Sonne durch die offenen Fenster, ein lauer Wind wehte herein, frischte den Geruch nach abgestandenem Bier und kalt gewordenen Suppenresten auf.
    »Loses Söldnergesindel!«, schimpfte Lore unterdessen weiter. »Nimm dich in Acht, Liebes. Leider weiß ich, wovon ich rede. Schneller, als man ahnt, haben sie einen in einen Hinterhalt gelockt, selbst mitten im Getümmel der Straße. Ach, wenn ich nur daran denke! Mein armer Ewald, Gott hab ihn selig.«
    »Reg dich nicht auf, Großmutter.« Tröstend strich Agnes ihr über den Arm. »Ich bin doch wohlbehalten zurückgekehrt. Mir ist nichts geschehen. Es ist nicht mehr übles Volk auf den Straßen unterwegs als sonst. Lediglich drüben beim Franziskanerkloster sammeln sich einige Söldner und hoffen auf Unterkunft. Doch die haben einen harmlosen Eindruck gemacht. Die sind hungrig und durstig, suchen eine Bleibe für die Nacht, mehr nicht. Kurz vor dem Tor bin ich zwei Kaufleuten begegnet, die oft bei uns zu Gast sind. Die wollte ich nicht einfach übersehen, zumal einer der beiden mich direkt angesprochen hat. Ulrich aber hat nicht gewartet und ist vorgelaufen. Du weißt, wie er ist.«
    Sie schielte hinüber zum Herdfeuer, wo Griet eifrig den Suppenkessel scheuerte. Die Großmutter rang sich ein Lächeln ab. »Ja, ja, die Liebe, die raubt manch einem den Kopf. Er konnte es wohl kaum erwarten, wieder hier zu sein. Nachher werde ich deswegen ein Wörtchen mit ihm reden. Auf dich sollte er aufpassen, nicht auf seine Liebelei.«
    »Lass nur, es ist doch alles gutgegangen«, beschwichtigte Agnes erneut. »Erzähl mir, wie es hier war, nachdem die Nachricht aus Tapiau eingetroffen ist. Wie haben die Leute darauf reagiert? Und vor allem: Was sagt man, wie es weitergehen wird?«
    »Ach, Liebes, was denkst du? Natürlich hat es große Aufregung gegeben, als am Vormittag der Bote mit den Nachrichten aus Tapiau eingetroffen ist. Die Trauer um die vielen Toten zerreißt so manchem das Herz. Viele hier haben Familie dort. Und deine arme Mutter ist gestorben vor Sorge um dich! Ulrich und du, ihr wart kurz zuvor erst nach Bürgersdorf aufgebrochen. Gleich wollte Gunda euch jemanden nachschicken, um euch zum Umkehren aufzufordern. Griet aber hat ihr davon abgeraten. Zum einen, weil Ulrich ein kräftiger Bursche ist, der dich im Zweifelsfall auch gegen zwei beschützen kann, zum anderen, weil der Weg nach Bürgersdorf nicht auf der Strecke liegt, die die Söldner und Deutschordensritter benutzen. Am besten gehst du sofort ins Sudhaus, um deiner armen Mutter Bescheid zu geben, dass du wieder da bist und dass es dir gutgeht.«
    »Gleich«, wiegelte Agnes ab.
    »Bist du mit deiner Mutter böse?« Forschend musterte Lore sie. »Etwas scheint zwischen euch beiden zu stehen, das spüre ich

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