Gold und Stein
preußischen Städte künftig dem polnischen König oder weiterhin dem Komtur im weißen Mantel mit schwarzem Kreuz huldigten. Seit der Begegnung mit Laurenz wurde sie jedoch hellhörig, wann immer sie Neuigkeiten aus seiner Heimat Königsberg aufschnappte. Fahrig spielte sie mit den Zipfeln des Halstuchs.
»In Tapiau sieht es noch ein wenig anders aus«, erklärte Kollmann. »Eindeutige Sieger und Verlierer gibt es wohl nicht. Wie Ihr wisst, sind unsere Söldner vor wenigen Wochen gemeinsam mit denen aus Rastenburg nach Tapiau gezogen. Immerhin zählt Wehlau zu den ersten Städten des Preußischen Bundes, hat aber trotzdem mit am längsten unter der Herrschaft der Ordensritter gestanden. Mit Rastenburg verhält es sich ähnlich. So erfolgreich der erste Vorstoß der Bündischen gegen die Ordensburg gewesen ist, so lange hat sich die Belagerung am Ende hingezogen. Die dortigen Kreuzherren haben einfach nicht aufgeben wollen und schließlich einen Gegenangriff gestartet. Fünfzig Männer aus den Reihen der Unsrigen mussten dabei ihr Leben lassen, und dreiundzwanzig wurden als Gefangene genommen. Keiner weiß, wie das am Ende ausgehen wird. Zunächst einmal haben die Söldnerführer den Rückzug beschlossen. Die ersten Boten sind heute Morgen mit den Berichten hier in der Gegend eingetroffen.«
»Wahrscheinlich haben wir sie gerade verpasst«, stellte Ulrich fest. »Kaum vorstellbar, dass eine solche Neuigkeit durch das Alletor am Silbernen Hirschen vorbei in die Stadt gelangt.«
»Wie wird es jetzt weitergehen?«, fragte der Alte, doch sein Eidam schwieg. Auch Ulrich setzte lediglich eine besorgte Miene auf.
»Woher wisst Ihr das alles?«, mischte sich Agnes ein.
»Ein reitender Bote ist aufs Feld gekommen, wo ich meine Leute bei der Heumahd beaufsichtigt habe. Die Wiesen liegen auf der östlichen Seite des Dorfes. Deshalb bin ich aus der Euch entgegengesetzten Richtung gekommen. Wahrscheinlich ist der Bote unterwegs nach Insterburg.«
»Das heißt, es ist einer von den Deutschordensrittern.« So krumm, wie der Alte war, so flink funktionierte sein Verstand. »In der dortigen Komturei wartet man auf Nachrichten, wie der Stand der bündischen Sache ist. Jede Burg, die in der Hand der Weißmäntel bleibt, ist für die ein Gewinn, um den nächsten Schlag gegen die Aufständischen vorzubereiten. Das Kriegswesen ist eben das ureigene Geschäft der Kreuzherren, seit vielen Generationen schon. Da werden wir anderen früher oder später das Nachsehen haben, noch dazu, wo unsere Söldner so schlecht bezahlt sind, dass sie bald allein aus Wut das Weite suchen.«
»Den Söldnern der Weißmäntel geht es kaum besser«, gab Ulrich zu bedenken. »Es heißt, der Hochmeister in der Marienburg sei nicht sonderlich gut bei Kasse. Deshalb drückt er den Städten auch immer neue Abgaben auf.«
»Wie kommt Ihr dazu, mit einem Boten der Ordensritter zu reden?«, erkundigte sich Agnes bei Kollmann. Auch wenn er ihr als alter Freund Fröbels vertraut war, machte sie das doch stutzig. Unter dem Tisch versetzte Ulrich ihr einen schmerzhaften Tritt gegen das Schienbein.
»Die Kleine hat recht«, nickte der Alte zustimmend. »Wie kommst du dazu, dich mit einem von den Weißmänteln einzulassen? Hast du vergessen, auf welcher Seite wir stehen? Oder bist du einfach nur zu töricht zu begreifen, dass sie einem von uns nie die Wahrheit sagen?«
»Noch ist die Zeit nicht gekommen, da ich mich vor einem naseweisen Kind und einem verdorrten Alten rechtfertigen muss«, stellte Kollmann mit einem schiefen Grinsen klar. »Sei froh, mein lieber Schwäher, dass ich Trude erlaube, dir Tag für Tag deinen Brei hinzustellen.«
Schnaufend erhob er sich vom Tisch.
»Ich glaube, wir müssen dringend zurück nach Wehlau. Die Wirtin braucht uns beim Brauen«, erklärte Ulrich hastig.
»Schade, mein Täubchen«, raunzte der Alte und kniff Agnes abermals mit den feuchtkalten Fingern in die Wange. »Gerade habe ich begonnen, deine Gegenwart so richtig zu genießen. Wir beide könnten eine schöne Zeit miteinander haben. Wir hätten uns viel zu sagen. Komm bald wieder! Und grüß deine verehrte Frau Mutter und auch die gute Frau Großmutter. Das sind Frauen, nach denen sich so manch einer zeit seines Lebens vergeblich sehnt. Nicht jeder hat eben ein solches Glück wie der gute Fröbel.«
Die letzten Sätze rief er Agnes und Ulrich bereits nach. Kollmann geleitete sie beide so eilig zur Tür, als befürchtete er weitere unangenehme Bemerkungen seines
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