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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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genau. Willst du es mir nicht verraten?«
    Sacht strich sie Agnes übers Haupt, ordnete das zu Zöpfen geflochtene Haar. Den Blick hielt sie prüfend auf Agnes’ Antlitz gerichtet. Ihre Lippen bildeten einen geraden Strich, die Narbe am Kinn grub sich weiß in die Haut ein. Agnes rang mit sich, fand jedoch nicht die richtigen Worte.
    »Hat es etwas mit dem galanten Baumeister zu tun, der eine Weile so eifrig nach dir gefragt hat? Mit dem kostbaren Geschenk hat er sich weit vorgewagt. Das muss wahre Liebe sein. Schade, dass du ihn abgewiesen hast. Dabei habe ich gedacht, dir läge ebenfalls viel an ihm.« Lore nahm ihre Hand und drückte sie fest. »Oder hast du den Vogel Gundas wegen zurückgeschickt? Was stört sie an dem Burschen? Soll ich mit ihr reden? Sie weiß doch selbst, was wahre Liebe bedeutet.«
    »Nein!« Entsetzt riss Agnes sich los und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Ach, Kind, manchmal tut es entsetzlich weh zu lieben.« Lore fasste Agnes’ Kinn und zog ihr Gesicht wieder zu sich herum. »Wie heißt es doch so schön in den alten Weisen? ›Wem nie durch Liebe Leid geschah, dem geschah auch das Glück der Liebe nicht.‹ Glaub mir, Liebes, ich weiß, wovon ich spreche. Liebe und Leid, das sind enge Geschwister. Trotz allem aber ist und bleibt die Liebe das Wertvollste, was es auf der Welt gibt. Nie darf man sie vorschnell aufgeben! Mit allen Mitteln muss man um sie kämpfen.«
    »Ach, Großmutter!« Mehr brachte Agnes nicht heraus. Aufschluchzend fiel sie der alten Frau um den Hals, presste ihr tränennasses Gesicht gegen ihre Schulter. Lore war nicht sonderlich groß. Dennoch wiegte sie die gut eineinhalb Kopf größere Agnes wie ein kleines Kind in den Armen. Zart strich sie ihr über den Rücken, raunte ihr tröstende Worte ins Ohr.
    Endlich fühlte Agnes sich besser. Sie richtete sich wieder auf, wischte die feuchten Wangen verschämt mit den Handrücken trocken. Gütig lächelnd reichte Lore ihr ein Tuch.
    »Was sagt Kollmann zu Tapiau?«, erkundigte sie sich, um Agnes auf andere Gedanken zu bringen. »Denkt er, wir geraten in Gefahr? Werden die Ordensritter Wehlau demnächst angreifen? Immerhin haben wir dem Komtur in Tapiau unterstanden. Er wird sich für unsere Untreue rächen wollen. Ach, Kind, wenn es nur keinen offenen Kampf bei uns gibt! All die Jahre haben wir hier in Frieden gelebt. Warum meinen so viele, es ginge uns mit dem polnischen König besser? Letztlich ist es doch gleichgültig, wer das Sagen im Land hat, solange wir unser Bier brauen und unsere Gäste bewirten können. Wenn wir doch nur einen Mann mehr im Haus hätten!«
    Besorgt äugte sie zu Griet hinten am Herdfeuer. Die pausbäckige Magd tat, als hörte sie die Worte nicht, und kratzte weiter verbissen mit dem Messer die Kruste vom Boden des blechernen Suppenkessels. Von der anstrengenden Arbeit war ihr Gesicht gerötet, das helle Haar hatte sich gelöst, und einige verschwitzte Strähnen fielen ihr in die Stirn.
    »Nun gut«, murmelte Lore. »Hoffen wir das Beste! Vielleicht haben wir Glück und werden vom Schlimmsten verschont.«
    Damit beugte sie sich über einen der leeren Tische und wienerte die Holzplatte. Agnes sah ihr eine Weile zu, dann trat sie neben Griet.
    »Vergiss ihn, Kleines, auch wenn es weh tut. Doch das geht wieder vorbei, vertrau mir«, flüsterte die Magd und drückte ihr flüchtig den Arm. Laut fragte sie: »Hast du Hunger? Nimm dir von dem Brot hier. Noch ist es warm und duftet köstlich.«
    Sie bückte sich nach dem Korb und hielt ihn Agnes direkt unter die Nase. Bei dem verführerischen Geruch siegte der Hunger rasch über die nagende Enttäuschung. Herzhaft biss Agnes in einen Fladen. Dann schenkte sie sich einen Becher frischen Brunnenwassers aus der bereitstehenden Kanne ein und trank gierig.
    »Los, Liebes, halt dich hier nicht so lange auf«, mahnte Lore. »Ich glaube, deine Mutter will dich jetzt endlich sehen. Bestimmt will sie auch wissen, wie es dir in Bürgersdorf bei Kollmann gefallen hat.«
    »Warum?« Agnes horchte auf und spürte, wie sich ihr Gesicht rot verfärbte. »Was hat Ulrich denn erzählt?«
    »Was soll er erzählt haben?«, mischte Griet sich schmunzelnd ein. »Müssten wir da etwas wissen?«
    Agnes schüttelte hastig den Kopf, nickte Griet und Lore zu und schlüpfte zur Hintertür hinaus in den Hof, um ins Sudhaus zu Gunda zu gelangen.
    Längst war die Sonne aus dem engen Hof verschwunden, dennoch stand die Hitze unerträglich in dem eng von Mauern umgrenzten

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