Gold und Stein
mich noch einmal auf einen Mann einzulassen. Aber du …«
»Was?« Agnes schrie geradezu. »Bildest du dir etwa ein, ich würde einen Mann wie Kollmann heiraten?«
»Warum nicht?«
»Niemals!«
Aufgebracht stieß Agnes die Mutter beiseite und stürzte davon, raus aus dem Hof, hinüber zum Alletor, an den verdutzten Wachmännern vorbei hinaus vor die Stadt, vorbei am Kloster und hinunter zum Fluss. Es war ihr gleichgültig, wie viele Söldner sich mittlerweile vor dem Franziskanerkloster versammelt hatten. Sie hatte keine Angst vor ihnen. Ihr Ziel war das Alleufer oder vielmehr die Stelle, an der ein kleiner Steg zur Georgskapelle auf die Insel führte.
Schon von weitem hörte sie das stete Klopfen der Steinmetze. Auf einer kleinen Anhöhe hielt sie inne und schöpfte nach Atem. Um sie her wölbte sich das sanfte Auf und Ab der goldenen Felder. Nur noch wenige Knechte strichen über die abgeernteten Wiesen, rafften die letzten Halme zusammen. Die Sonne sank immer tiefer und tauschte ihr strahlend helles Gelb des Nachmittags gegen das sanftere Gelbrot des Abends. Graublaue Schleierwolken zogen vorüber, führten einen sanften Wind mit sich. Die Vögel stimmten ihren Abendgesang an, riefen über die Baumwipfel hinweg nach den Gefährten für die Nacht. Kaum wurde Agnes dessen gewahr. Viel zu sehr beschäftigte sie das gerade Erlebte: Die Mutter wollte sie tatsächlich mit Kollmann verheiraten!
Das Klopfen auf den Steinen wurde stärker, die ersten Stimmen der Fischer am Ufer erklangen. Bei der nächsten Wegbiegung sah Agnes die Alle bereits vor sich. Bald stand sie auf dem Steg, hielt noch einmal inne und fasste sich an die Brust. Ihr Herz raste. Was tat sie da überhaupt? Erst allmählich wurde ihr klar, dass sie hoffte, Laurenz Selege bei der Kapelle zu finden. Wie sie darauf kam, konnte sie sich nicht erklären. Sie wusste nur eins: Sie musste ihn unbedingt sprechen. Warum also nicht bei der Baustelle an der Georgskapelle mit dem Suchen beginnen? Was sie ihm sagen, was überhaupt weiter mit ihm und ihr werden sollte, darüber wollte sie vorerst nicht nachdenken.
16
U lrichs Rücken verdeckte die Sicht auf den großen Maischbottich. Breitbeinig stand er da, ganz auf seine Tätigkeit konzentriert. Gunda betrachtete ihn versonnen. Noch hatte er sie nicht bemerkt. Sie waren allein in dem verwinkelten, engen Sudhaus. Das sanfte Brodeln in den Pfannen und das Knacken des Feuers waren die einzigen Geräusche, die die angenehme Stille abseits des Geschehens im Wirtshaus unterbrachen. Gunda genoss die Atmosphäre, roch zufrieden den Duft der herben Maische, vermischt mit dem Geruch nach feuchten Mauern und anstrengender Arbeit. In dem Aufruhr, der seit dem Rückzug der Wehlauer und Rastenburger Söldner aus Tapiau vor wenigen Tagen herrschte, tat es gut, sich für eine Weile andere Gedanken zuzugestehen. Sie pustete sich eine Strähne des kupferbraunen Haares aus der Stirn und prüfte den Sitz der Flügelhaube. Dabei schaute sie weiter wie gebannt auf Ulrich.
In den Armen hielt er einen gewaltigen Kübel frischen Brauwassers. Trotz des immensen Gewichts goss er das kristallklare Nass mit schwungvoller Leichtigkeit auf das Schrot hinunter. Die Sehnen an den nackten Unterarmen sprangen hervor, die Muskeln an den Oberarmen waren angespannt, die großen Hände umspannten den Eimer. Als das Wasser auf die Maische traf, stieg ein sanfter Nebel eiskalter Feuchtigkeit aus dem Bottich, umfing den Körper des Brauknechts, benetzte sein blondes, nackenlanges Haar. Bald klebten einige Strähnen an der Haut. Dunkle Schweißflecken zeichneten sich auf seinem hellen Kittel ab, die einzigen Zeichen, die auf eine größere Anstrengung schließen ließen.
Gunda konnte sich nicht von dem Anblick lösen. Ein eigenartiges Prickeln befiel ihren Körper, löste eine wohlige Hitze in ihr aus. Unwillkürlich legte sie die rechte Hand an den Hals, strich sich eine Weile sanft über die Haut. Allmählich glitten die Finger tiefer, fuhren zärtlich am Ausschnitt ihres roten Kleides entlang, genossen es, über den weicher werdenden Ansatz ihrer Brüste zu streichen. Sie seufzte leise und spürte der aufflackernden Begierde nach.
Viel zu lange war es her, dass sie zuletzt so empfunden hatte. Sie dachte an Gernot, an jene einzige gemeinsame Nacht voller Leidenschaft vor gut achtzehn Jahren, die so weitreichende Folgen gehabt hatte. Doch auch der brave Kelletat und erst recht der liebe Fröbel hatten es verstanden, ihre Lust zu entfachen. Ob
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