Gold und Stein
Rücken seiner Nase, der rotgefärbte Bart glänzte feucht. Näherte sich einer der Braker, hob er freudig erregt den Kopf und sah ihm erwartungsfroh entgegen. Immer wieder aber wurde er enttäuscht. Der Braker würdigte ihn keines Blickes und stapfte an ihm vorbei zu einem der anderen Kaufleute. Mehr als zwei Stunden dauerte dieses Schauspiel schon. Editha war zwar erst seit kurzem auf der Holzwiese, doch längst durchschaute sie, was dort mit Gernot geschah.
»Wann begreifst du endlich, was hier vor sich geht?«, versuchte sie abermals, Verbindung zu ihm aufzunehmen. Missmutig schürzte sie die Lippen. Es fiel ihr schwer, die unflätigen Worte zurückzuhalten, die ihr auf der Zunge lagen. Sie wusste, wie sehr Gernot es missbilligte, wenn sie in ihrer Muttersprache schimpfte. Bald aber war ihre Geduld erschöpft. Das Verhalten ihres Gemahls trug das Seine dazu bei, dass sie es nicht mehr länger aushielt.
»Damned bastard«,
zischte sie in den Zipfel ihres Tuchs, das sie sich wohlweislich gerade noch vor den Mund gezogen hatte. Düster blickte sie dem langen, dürren Mann hinterher, der sich seiner verantwortungsvollen Aufgabe auf der Holzwiese bewusst war.
Hoch erhobenen Hauptes schritt er vorbei, kümmerte sich weder um das aufziehende Unwetter noch um die erbosten Bemerkungen der wartenden Kaufleute. Ein gutes Dutzend Brakzeichen erst hatte er verteilt. Die Fuhrwerke rückten auf. Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel. Der folgende Donner ließ sich noch weniger Zeit als der vorherige, um daraufhin die Gegend zu erschüttern. Der Boden bebte, das laute Krachen schmerzte in den Ohren. Offenbar erreichte es dieses Mal auch den Braker. Der dunkel gekleidete Mann schenkte es sich, die nächsten Stapel wie vorgeschrieben durchzuschauen, bevor er bei dem neben Gernot wartenden Kaufmann die Gebühr einstrich und das Holz zum Abtransport freigab. Statt Gernot wandte er sich jedoch abermals dem übernächsten Kaufmann zu. Ludwig Perlbach gab ihm Zeichen, erst Gernots Eibenholz zu prüfen.
»Wenn Ihr wollt«, sagte der Braker so laut zu Perlbach, dass auch Editha und Gernot ihn verstanden, »könnt Ihr auch bis morgen warten. Neben Euch stehen noch weitere Kaufleute. Die werde ich gern vor dem Regen noch annehmen.«
»Nein, nein«, lenkte Perlbach mit einem scheuen Lächeln zu den Fischarts hin ein. »Macht schnell, damit mein Holz ins Trockene gelangt. Ich verspüre nicht die geringste Lust, triefnass nach Hause zu kommen.«
Abermals krachte ein Donner in die Stille, dieses Mal nahezu zeitgleich mit dem Blitz, der das Grau der Wolken erst wenige Augenblicke zuvor durchschnitten hatte. Eilig winkte Perlbach seinen Fuhrmann heran. Der lenkte den leeren Wagen dicht an Editha und Gernot vorbei zu ihm herüber.
»Ist es zu fassen!«, entfuhr es Gernot entrüstet. »Perlbach, was tut Ihr mir an? Soll ich hier im Regen ausharren, bis mein teures Eibenholz dahin ist, derweil Ihr Euch zu Hause im Trockenen das abendliche Bier munden lasst? Wisst Ihr überhaupt, wie viel ich für diese gewaltige Lieferung bezahlt habe? Meine Kundschaft in London wird sich freuen, wenn das Holz bereits zu faulen beginnt, noch bevor es überhaupt die Themse erreicht hat. Ein gelungener Einstieg, um für uns Königsberger Kaufleute die alte Verbindung nach London wieder aufleben zu lassen.«
»So eilig, wie Ihr es hattet, das Holz über Eure besondere Verbindung nach Wehlau zu beschaffen, könnt Ihr Euch jetzt auch gut und gern noch ein paar Tage für das Braken gedulden. Bislang hat noch kein Gewitter das Holz unbrauchbar gemacht, mein Lieber.« Unaufgefordert war Spelmann zu ihm getreten, ein Zunftgenosse aus der Koggenstraße. Herausfordernd baute er sich neben Gernot auf. Er war gut einen halben Kopf kleiner und weitaus schmächtiger, dennoch wirkte er furchteinflößend. Zu Edithas Empörung duckte sich ihr Gemahl zur Seite.
Good grief!
Sie schnaufte und stellte sich zu den beiden. Verächtlich beäugte sie Spelmanns schäbige Kleidung, starrte betont auffällig auf den ausgebleichten Stoff des vormals wohl dunkelbraunen, nun eher rotgelben Rocks. Von der bestickten Borte lösten sich bereits die ersten Fäden, mehrere Knöpfe fehlten. An den Strumpfhosen prangten zwei, drei grob gestopfte Stellen, die Glöckchen hingen lose an den Kogeln seiner Schuhe. Spelmann schien sich dessen jedoch nicht zu schämen, ebenso wenig wie er angesichts seines scharfen Schweißgeruchs und seines fauligen Atems auf Abstand hielt.
»Mangy
Weitere Kostenlose Bücher