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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hinüber.
    »Du siehst, meine Kleine«, wandte sie sich schmunzelnd an Agnes, »am Ende zahlt es sich für beide Seiten aus, wenn sie ehrlich zueinander sind. Der gute Rehbinder weiß jetzt wieder, was ich von ihm erwarte, und wird sich an unsere Abmachung halten. Lass uns nach Hause gehen und dafür sorgen, dass auch im Silbernen Hirschen die Geschäfte so gut weiterlaufen, wie wir es erhoffen.«
    Damit wollte sie sich bei Agnes unterhaken. Agnes jedoch verweigerte sich. Ausgerechnet Gunda maßte sich an, von Ehrlichkeit zu sprechen!
    »Nein!«, erklärte sie bestimmt. »Ich gehe besser allein.« Flugs drehte sie sich um und eilte davon. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken wild durcheinander. Das Einzige, was ihr klar vor Augen stand, war, dass sie Gundas Nähe nicht mehr länger ertrug.

19
    D ie Schwüle des Julitages drückte schwer auf die Stadt. Das Wasser des Neuen Pregels schien nicht zu fließen, sondern zu stehen und verwandelte den Fluss in eine brackige Kloake. Der faulige Gestank nahm einem den Atem
. Holy moly!
Editha presste sich einen Zipfel ihres Gewands schützend vor die Nase. Gelegentlich tupfte sie sich mit dem Stoff über die schweißnassen Schläfen, strich die klebrigen Haare unter die helle Flügelhaube zurück. Ihr üppiger Busen hob und senkte sich im Rhythmus ihrer aufgebrachten Atemzüge. Sie dürstete nach einer Erfrischung, weit und breit war jedoch nichts in Sicht. Wenn sie doch nur ein wenig Naschwerk und einen Krug kühlen Bieres mitgenommen hätte!
    Aus der Ferne drang Donnergrollen herüber. Besorgt richtete sie den Blick gen Osten. Grauschwarze Wolkengebirge dräuten am Horizont. Die Schwalben flogen tief, das vormals so muntere Zwitschern ihrer Artgenossen war verstummt. Auch das Zirpen und Brummen von Insekten war verschwunden. Ein heller Blitz zuckte über den Himmel. Für einen Moment stand er senkrecht in der Luft, schenkte dem düsteren Firmament ein goldenes Leuchten, um im nächsten Augenblick jedwedes Licht in finstere Abgründe zu reißen. Sogleich eroberte ein wütendes Donnern das Feld. In seinem Gefolge brauste Wind auf, bauschte die Gewänder der Passanten auf, wirbelte Staub und Holzspäne auf, warf eine leere Tonne um, jagte sie mitsamt einigen losen Latten über den holprigen Lehmboden. Editha sicherte mit einer Hand ihre Haube und wandte mit zusammengepressten Lippen das Gesicht zur Seite, um keinen Dreck einatmen zu müssen.
    »Wie lang willst du noch hier stehen?«, rief sie nach Abflauen der Windböe ihrem Gemahl zu. »Gleich gibt es ein heftiges Unwetter.«
    Obwohl nur wenige Schritte von ihr entfernt, schien Gernot sie nicht zu hören. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, stand er neben einigen hoch aufgeschichteten Stapeln Eibenholz und hatte weder Auge noch Ohr für das Geschehen in seiner nächsten Umgebung. Darin unterschied er sich nicht im Geringsten von seinen Zunftgenossen, die an diesem Julinachmittag mit Argusaugen ihre wertvollen Waren bewachten. Die Altstädter Holzwiese lag auf der Lomse, einer Insel zwischen den beiden Pregelarmen, dem Königsberger Löbenicht direkt gegenüber. Seit Generationen warteten an dieser Stelle die Altstädter Kaufleute darauf, dass die Braker ihre Dielen, Koggenborten, Knarr-, Klapper-, Kisten- und Stabhölzer begutachteten und mit dem ersehnten Brakzeichen versahen, damit sie entweder flussabwärts Richtung Frisches Haff weiterverschifft oder an Ort und Stelle an die Handwerker aus Königsberg und den umliegenden Städten und Dörfern weiterverkauft werden konnten. Der wochenlangen Belagerung des Kneiphofs wegen war der Schiffsverkehr auf dem Pregel geraume Zeit gesperrt gewesen. Erst seit wenigen Tagen war der Fluss wieder freigegeben. Dennoch staute sich noch immer ein Vielfaches der gewöhnlichen Holzmenge auf der Holzwiese. Kaum kamen die fünf vereidigten Braker ihrer Aufgabe nach, das Holz entsprechend der Altstädter Willkür in Augenschein zu nehmen. Immer wieder brach Unmut aus, weil ein Kaufmann fürchtete, seine Ware würde über dem langen Warten auf das Brakzeichen in der sengenden Hitze unbrauchbar, vom nahenden Gewitter verdorben, oder seine Kundschaft würde sich zwischenzeitlich neue Quellen erschließen.
    Auch Gernot wippte aufgeregt auf den Fußspitzen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den gewaltigen Bauch in dem bunten, taillenbetonten Rock weit nach vorn gestreckt. Ob der Unruhe war ihm das schwarze Barett auf dem dunkelblonden Haupt verrutscht. Schweiß perlte über den platten

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