Gold und Stein
Fingern in Agnes’ Richtung.
»Passt gut auf, Rottinger, was Ihr sagt«, knurrte Laurenz.
»Ich sage nur, was ich sehe«, erwiderte der Tischler unbeeindruckt.
»Dann wird es wohl auch Zeit, dass ich sage, was ich sehe, wenn ich mir Eure Würfel betrachte. Man sollte mal genauer über Eure Art, die Würfel zu werfen, reden.«
»Wollt Ihr mir drohen?«
»Habe ich das nötig?«
Ohne den Tischler eines weiteren Blickes zu würdigen, drückte Laurenz ihm das Geld in die Hand.
»Komm, Rottinger«, winkte der Maurer Huschke den Schuldeneintreiber zurück. »Du hast dein Geld bekommen. Der Werkmeister war dir stets gut. Schließlich bist du selbst schuld, wenn du mit Wollrode würfelst. Du weißt doch, woran du mit ihm bist.«
Die anderen Männer am Tisch nickten, auch Strack erhob sich und klopfte dem weitaus größeren Rottinger auf den Rücken. »Lasst gut sein. Der Werkmeister ist ein anständiger Mensch. Solche gibt es derzeit nicht viele.«
Agnes entging nicht, wie bei diesen Worten ein Schatten über Laurenz’ Antlitz huschte. Beunruhigt suchte sie seinen Blick, er aber wich ihr aus. Eine düstere Ahnung beschlich sie: Musste er der Spielschulden seines Gesellen wegen auf die Gründung eines eigenen Hausstands verzichten? Offenbar zahlte er nicht zum ersten Mal die beträchtliche Summe, die dieser Wollrode verloren hatte.
»Los jetzt, Meister Friedrich!«, rief Laurenz ungeduldig und schnappte sich den Beutel mit dem Proviant. »Meine Base wird bei Euch auf dem Wagen sitzen. Ich hoffe, Ihr habt nicht allzu viel Gepäck.«
»Für ein hübsches Fräulein findet sich bei mir immer ein Plätzchen.« Damit verbeugte sich Meister Friedrich tief vor ihr. Agnes erschrak. Seine Art behagte ihr ganz und gar nicht. Widerwillig folgte sie ihm und Laurenz nach draußen.
Der Braune scharrte bereits mit den Hufen, auch der Ochse vor dem vollbepackten Fuhrwerk schnaubte unruhig. Laurenz half ihr auf den Wagen. »Bleib dicht beim Wagen«, bat sie und umklammerte seine Hand. Für einen Moment verweilten ihre Blicke ineinander. Sie meinte, einen fremden Ausdruck in seinen verschiedenfarbigen Augen zu erkennen. Um seinen Mund lag ein spöttischer Zug. »Mach dir keine Gedanken, Liebelein. Er ist ein anständiger Bursche.«
»Ich hoffe, du hast recht. Langsam weiß ich nicht mehr, was ich noch glauben soll.«
3
Z um ersten Mal seit Jahren ließ Gunda das Bierbrauen ausfallen, ebenso wenig kümmerte sie sich um die Gärbottiche im Keller. Das lag allerdings nicht daran, dass seit der Belagerung Wehlaus die Stadttore fest verschlossen waren und keine Fremden von auswärts mehr im Silbernen Hirschen einkehren konnten. Auch dass sich die Bürger in ihre Häuser zurückgezogen hatten und nur für die notwendigsten Gänge nach draußen gingen, spielte kaum eine Rolle. Zeiten, in denen das lustige Zechen in der Schankstube aussetzte, hatte es immer wieder gegeben. Gerade dann hatte sich Gunda sonst gern an der Sudpfanne von trüben Gedanken abgelenkt. Sogar direkt nach dem Tod ihres Gemahls vor bald eineinhalb Jahren hatte sie sich mit Einmaischen und Läutern über den schweren Verlust hinweggetröstet.
Ulrich drängte beharrlich, wenigstens die letzten Vorräte an Hopfen und Malz aufzubrauchen, bevor sie verdarben, doch selbst dazu fühlte Gunda sich außerstande. Also gestattete sie dem Knecht, Griet in die wichtigsten Schritte einzuweisen, damit sie ihm beim Brauen zur Hand gehen konnte. Ferner denn je war ihr der Gedanke, was die beiden dabei noch anstellen mochten. Es war ihr längst einerlei. Von ihr aus mochten sie allein im Sudhaus werkeln, sich dabei necken und küssen, vielleicht gar noch mehr. Erschöpft saß Gunda im hintersten Winkel der Schankstube und starrte stumpf vor sich hin. Wenn sie doch nur weinen könnte! Seit siebzehn Jahren waren ihre Augen trocken. Nun lähmte sie der Schmerz über Agnes’ Weggang. Sie fürchtete, der neuerliche Verlust eines Kindes ließe sie endgültig bitter werden.
Vom offen stehenden Hoffenster zog der vertraute Malzgeruch herein. Sosehr Gunda es sonst liebte, den herben Duft in der Nase zu haben, entlockte er ihr jetzt kaum eine Regung.
»Was ist nur mit Euch los, Meisterin?«, erkundigte sich Griet besorgt, als sie gegen Mittag eine Pause einlegten. Eine Woche war seit Agnes’ Verschwinden vergangen. Die Hände auf die breiten Hüften gestützt, baute sich Griet dicht vor Gunda auf und musterte sie. Die pausbäckigen Wangen der Magd glühten, einzelne Strähnen des hellen
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