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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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hatte sie die Hälfte des Gewichts verloren, das sie in drei gesunden Jahren zugelegt hatte. Er streckte eine Hand nach hinten, die Kate ergriff und fest drückte. Der Druck schuf einen festen Bezugspunkt in einer Zeit, in der sich die Ereignisse überschlugen.
    Jack fuhr los, als Sophie sicher angeschnallt war.
    »Sophie?«
    »Ja?«
    »Wenn du noch einmal gegen meinen Sitz trittst, bringe ich dich wieder auf den Todesstern. Dann wirst du von den Sith großgezogen.«
    »Tut mir leid, Dad.«
    Er fuhr im Zeitlupentempo über die Fahrbahnschwellen in der Ausfahrt, damit Sophie nicht zu sehr durchgerüttelt wurde. Auch als er auf die Hauptstraße bog, fuhr er äußerst vorsichtig. Er hatte einen speziellen Kurs für sicheres Fahren belegt, weil er unbedingt einen Unfall vermeiden musste, wenn Sophie im Auto saß. Er plante im Voraus, in welche Richtung er ausweichen würde, sollte der grüne Mercedes an der Einmündung vor ihnen ihm die Vorfahrt nehmen. Dann wanderten seine Augen zum nächsten Auto und dem Mini-Kreisverkehr dahinter.
    »Sophie …«
    »Ja?«
    »Wie war das mit dem Treten?«
    »Tut mir leid, Dad.«
    Jack war zweiunddreißig, hatte eine olympische Goldmedaille gewonnen und war einer der fünf schnellsten Bahnradfahrer der Welt.
    »Sophie? Du sagst doch Bescheid, wenn ich zu schnell fahre, ja?«
    Auf der Schnellstraße blieben sie auf der langsamen Spur, eingeklemmt zwischen Lastwagen. Sophie wusste, dass es ihrer Sicherheit diente. Das war eben die Wirkung, die sie auf ihre Umgebung hatte: Die Leute fuhren zwanzig Prozent langsamer als sonst, hielten die Griffe heißer Kochtöpfe zwanzig Prozent fester als sonst und wählten ihre Worte mit einem Fünftel mehr Bedacht. Niemand würde einen Reifen platzen lassen und sie in einen Unfall verwickeln oder einen Topf ausschütten und sie verbrühen oder von Sorgen oder dem Tod sprechen.
    Sie hätte ihnen gern gesagt, dass ihre Angst dadurch um zwanzig Prozent größer wurde, aber das ging nicht. Sie taten das alles ja nur, um mit ihren Gefühlen klarzukommen. Und es tat ihr leid, dass sie sich ihretwegen so fühlten.
    Durch das Seitenfenster sah sie normale Familien vorbeifahren. Meist waren es Familien, die nicht auf der Seite der Guten standen wie die Argalls oder auf der dunklen Seite wie die Vaders. Es waren Familien, die einfach nur auf dem Weg in den Zoo oder zum Einkaufen waren. Oft konnte sie sie im Auto streiten sehen. Ihre Gesichter hinter den Scheiben waren wütend. Es war wie ein Museum menschlicher Familien, in denen die Vitrinen ohne Beschriftung an einem vorbeizogen. Sophie verfasste sie im Kopf: Mum hat die falschen Chips gekauft oder Dad lässt mich und Chloe nicht die Hitparade hören.
    Als es Sophie langweilig wurde, die anderen Familien zu beobachten, schaute sie im Kopf Star Wars . Sie hatte die Filme so oft gesehen, dass sie keine DVD mehr brauchte. Sie lenkte sich von ihrem Zustand ab, indem sie die AT-AT Walker den Stützpunkt der Rebellen auf dem Eisplaneten Hoth angreifen ließ. Heute ging es ihr so schlecht, dass es ihr Angst machte. Alles tat weh. Ihr Kopf hämmerte, sie sah alles verschwommen, und ihre Knochen schmerzten, als wäre sie lange bei Regen und Kälte spazieren gegangen. Die Übelkeit rollte in Wellen über sie hinweg, und sie bekam Gänsehaut.
    Es war unglaublich, wie Skywalker seinen Kampfflieger steuerte. Das kam daher, dass er ein Jedi war. Bestimmte Zellen im Blut, die Midi-Chlorianer, machten einen zum Jedi. Sophie wusste, dass die Veränderungen in ihrem Blut, die Dr. Hewitt für Leukämie hielt, daher kamen, dass sich Midi-Chlorianer bildeten. Man konnte von den irdischen Ärzten nicht erwarten, dass sie die richtige Diagnose stellten – die konnten ja von Glück sagen, wenn sie in ihrem ganzen Berufsleben auch nur einen einzigen solchen Fall zu sehen bekamen.
    Doch wenn sie sich so krank fühlte wie heute, dachte sie manchmal, dass aus ihr nie ein Jedi werden würde. Selbst bei neunzig Stundenkilometern fühlte sie sich unbehaglich. Das Surren der Straße drang bis in ihr Innerstes, und ihr tat alles weh. Wie sollte sie jemals ein Raumschiff mit hunderten Stundenkilometern zwischen den Füßen eines angreifenden Imperialen Walkers hindurchsteuern?
    Sie schluckte. »Du kannst ruhig schneller fahren.«
    Dad schüttelte den Kopf. »Schon gut.«
    Sophie betrachtete seine drahtigen Unterarme am Lenkrad und dann ihre eigenen. Sie ballte die Hände zu Fäusten, damit ihre Muskeln hervortraten.
    »Alles in Ordnung?«,

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