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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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reduzieren, bis der Windschatten keinen Vorteil mehr bot.
    Tom erkannte die Gefahr, noch bevor es passierte. Er sprang auf und schlug die Hände vor den Mund. Zoe entspannte die Schultern und hob leicht den Kopf, was bedeutete, dass sie langsamer wurde. Entweder sah Kate es nicht oder glaubte an eine Täuschung, denn sie wurde nicht langsamer und drehte auch nicht ab. Und so berührte ihr Vorderrad auf der hohen Seite der Bahn Zoes Hinterrad. Zoes Fahrrad ruckte und wackelte, doch sie behielt die Kontrolle. Kate hatte weniger Glück. Ihr Lenker verdrehte sich und sie stürzte, die Füße noch in den Pedalen. Sie schlitterte über die glatten Bretter, noch immer mit dem Rad verbunden, landete am Fuß der Bahn und schrie laut vor Schock und Zorn. Nach einer Sekunde war alles vorbei.
    Tom sah zu, wie Zoe langsamer wurde und zu ihrer gestürzten Rivalin blickte. Kate hatte sich schon aufgerappelt und stand hilflos neben ihrem Fahrrad. Sie schaute Zoe nach, die jetzt im Schneckentempo fuhr und sich zu ihr umdrehte. Tom verspürte Widerwillen. Es war eine Sache, mit Glück zu gewinnen – so war es eben beim Rennen –, aber sie brauchte nicht noch schadenfroh zu werden. Sie hätte einfach in aller Ruhe bis zur Linie fahren sollen.
    Während er noch zusah, hob Kate langsam den Arm und reckte den Daumen in die Höhe. Tom stiegen die Tränen in den Augen. All ihre Träume endeten mit diesem Sturz – der schlimmsten Art von Niederlage –, doch fünf Sekunden später hatte sie es schon akzeptiert und signalisierte Zoe, dass ihr nichts passiert war. Tom seufzte, während sich sein Herz allmählich wieder beruhigte. Aus diesem Grund würde Kate auch mit dem Leben nach dem Sport klarkommen, während der Sieg Zoes Niedergang nur hinauszögerte.
    Er trat den schmerzlichen Weg nach unten an, um Kate zu trösten und Zoe zu gratulieren.
    »Komm schon!«
    Zoes Ruf hallte durch das Velodrom. Tom blickte auf.
    »Los, steig auf!«
    Kate sah verwirrt aus. »Was?«
    »Wir haben noch eine Runde, du faule Kuh! Du kannst aufhören, wenn es vorbei ist!«
    Kate zögerte. Sie hatte schon die Handschuhe ausgezogen und neben die Bahn geworfen. »Meinst du das ernst?«, schrie sie.
    Zoe lachte. »Ja. Und du?«
    Tom erstarrte auf der Treppe. Wollte Zoe tatsächlich auf Kate warten? Er konnte es nicht fassen. Beinahe wünschte er sich, Kate würde nicht die Räder drehen, um zu prüfen, ob sie glatt liefen, wieder aufsteigen und einen Fuß in die Pedale klicken. Er könnte es nicht ertragen, wenn Zoe von ihr wegsprintete, bevor sie sie eingeholt hatte, wollte nicht mit ansehen, wie die zaghafte Hoffnung, die Kates Körpersprache signalisierte, der Verzweiflung wich, wenn sie erkannte, dass es nur ein grausamer Trick gewesen war.
    Doch es war kein Trick. Als Kate wieder losfuhr und den zweiten Fuß in das Pedal klickte, wartete Zoe noch immer und fuhr so langsam, dass sie sich gerade eben auf dem Rad halten konnte. Als sie auf einer Höhe waren, bogen sie auf die Gerade ein, die zur Start-und Ziellinie führte. Er sah zu, wie Kate und Zoe einander lange musterten und wieder nach vorn schauten. Seite an Seite überquerten sie die Linie. Als die Glocke ertönte, standen beide in den Pedalen auf und setzten zum Sprint an.
    Jetzt gab es keine Taktik mehr, nur einen Kampf bis zum Ende. Kate quetschte sich an die Innenseite, und Zoe fuhr neben ihr her, beide mit gesenkten Köpfen. Ihre Räder schwankten, als sie sich zu einem unfassbaren Tempo trieben. Ihre Münder unter dem Visier rangen nach Luft, die verspannten Kiefer ließen ihre Qual erkennen. Als sie die erste Kurve der letzten Runde nahmen, schob sich Kate wenige Zentimeter vor, doch auf der Geraden holte Zoe wieder auf und ging mit einer halben Radlänge Vorsprung in die letzte Kurve. Die Innenlinie half Kate, wieder gleichzuziehen, und als die beiden Fahrerinnen die Zielgerade erreichten, waren sie genau auf einer Höhe. Sie schossen die letzten fünfzig Meter dahin, verschwommen, kaum zu erkennen, Tritt um Tritt, Atemzug um Atemzug auf einer Höhe, und als sie in einer letzten verzweifelten Anstrengung ihre Räder über die Linie warfen, schauten sie einander an, um zu sehen, wer das Rennen gemacht hatte.

Aufwachraum, North Manchester General Hospital
13.15 Uhr
    Die Operation war sehr schnell gegangen – drei Schnitte mit dem Skalpell, dann das energische Ziehen des Venenkatheters. Noch bevor Jack begriff, dass die Chirurgen angefangen hatten, wurde Sophie schon nach nebenan geschoben.
    Die

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