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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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bewältigt hast. Es ist vollkommen natürlich, dass du dich beschissen fühlst. Ein paar Tage wird es dir vorkommen wie das Ende der Welt.«
    Sie griff wieder nach seiner Hand und nahm sie in ihre, betrachtete sie, als wäre sie eine Landkarte, die ihr einen Weg durch dieses Gespräch weisen konnte. »Ich habe dir vertraut, seit ich neunzehn war«, sagte sie schließlich. »Ich habe deine Worte nie infrage gestellt. Als du vorgeschlagen hast, Sophie solle bei Jack und Kate leben …«
    Er löste sich wieder von ihr und legte ihre Hand auf den Schreibtisch. »Ich habe dir nie gesagt, was du tun sollst. Du warst der Ansicht, dass du dich nicht um Sophie kümmern konntest, und wir alle haben dich dafür respektiert, dass du sie in die Obhut von Menschen gegeben hast, die es konnten.«
    Sie funkelte ihn an. »Jetzt bin ich aber in der Lage, mich um sie zu kümmern, oder?«
    Er versuchte zu lächeln. »Lass dir ein paar Tage Zeit, in Ordnung? Ruh dich aus, sieh zu, dass du einen klaren Kopf bekommst, und dann reden wir über Sophie. Sie ist krank, Zoe. Es ist weder für sie noch für dich die richtige Zeit, um eine solche Entscheidung zu treffen.«
    »Wann ist denn die richtige Zeit?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht, wenn du im Verkehr nicht mehr dein Leben riskierst.«
    Zoe umklammerte die Tischkante. »Du könntest ihnen sagen, du hättest mich schlecht beraten, oder? Dass ich durcheinander war und nicht wusste, was ich tat, und dass du niemals hättest zulassen dürfen, dass ich meine Tochter weggebe.«
    »Wem soll ich das sagen?«
    »Dem Gericht.«
    Er seufzte. »Du willst doch nicht wirklich damit vor Gericht, Zoe. Wenn du das tust, hast du die Medien am Hals. Und du weißt, was sie sagen werden.«
    Sie schaute ihn achselzuckend an.
    Er zwang sich, ihrem Blick standzuhalten. »Sie werden sagen, Kate Argall habe für ihr Kind auf Olympia verzichtet und Zoe Castle für Olympia auf ihr Kind.«
    Sie zuckte zusammen. »Das ist nicht fair.«
    »Ja, aber ist es so falsch?«
    »Ich dachte, es wäre richtig, das Baby zu bekommen, weil du gesagt hast, sie würden mich nie in Ruhe lassen, wenn ich es wegmachen lasse. Dann dachte ich, es wäre richtig zu verschweigen, dass ich Sophies Mutter bin, weil du gesagt hast, sie würden mich sonst zerreißen.« Ihre Stimme wurde schrill und vorwurfsvoll.
    »War es denn nicht richtig?«
    »Doch, aber jetzt zerreiße ich mich selbst. Das ist schlimmer als alles, was mir die Zeitungen hätten antun können.«
    Er versuchte, ruhig zu atmen. »Für dich war es in Ordnung, solange du gewonnen hast. Du hast die Goldmedaillen eingesteckt und auf dem Podest gestanden und verdammt noch mal die Arme in die Luft gestreckt.«
    Sie funkelte ihn an. »Die Arme, Tom? Sieh dir meine Arme an.« Sie riss den linken Ärmel ihrer Jacke hoch und zeigte ihm die Verletzung von ihrem Sturz, die noch immer nicht verheilt war. »Das hier ist eine wahre Geschichte. Du fährst zu schnell, du stürzt, und es tut verdammt weh.«
    Dann riss sie den anderen Ärmel hoch und zeigte ihm die leuchtend roten, entzündeten olympischen Ringe auf ihrer Haut. »Aber das hier ist eine Lüge. Schneller, höher, weiter. Es macht einen nur einsamer. Die Menschen sehen mich auf dem Podest stehen und denken, das wäre der Ruhm, dabei erleben sie nur diese eine glanzvolle Minute, in der ich mich aus dem Chaos erhebe, das ich angerichtet habe, um so weit zu kommen. Sieh dir doch mal die Champions an, denen du begegnet bist. Sieh mich und Jack an. Wir sind nicht ganz richtig im Kopf. Wir verbringen unser ganzes Leben damit, uns selbst an erste Stelle zu setzen. Dann schau dir Kate an, die immer die Zweite war. Die Heiligen waren alle Verlierer, Tom. Für das hier gibt es keine Medaillen« – sie hielt ihm den verletzten Arm vor die Nase –, »die gibt es hierfür.« Sie riss den tätowierten Arm hoch, und er wich zurück.
    »Du kannst nicht klar denken.«
    »Ich brauche nicht zu denken. Ich sehe das mit geschlossenen Augen, Tom, weil es wehtut. Scheiße, es tut weh.«
    Er sank seufzend auf seinen Stuhl. »Du wolltest gewinnen. Es war meine Aufgabe, dir dabei zu helfen.«
    Sie schüttelte wütend den Kopf, rote Flecken des Zorns überzogen Gesicht und Hals. »Ich fühle mich, als hätte man mir das Herz aus dem Leib gerissen. Ich würde am liebsten schreien und nie wieder aufhören. Wenn du mir wirklich helfen wolltest, hättest du mich vor acht Jahren davor gewarnt, wie ich mich heute fühlen würde.«
    Er starrte sie ungläubig

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