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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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guttue. Am Ende jeder Sitzung legte er die Fingerspitzen aneinander und berührte damit seine Unterlippe, während er ihre Aussagen zusammenfasste und bescheiden um ihre Meinung bat. Sie bestätigte, dass sie ihren Zorn nicht im Griff hatte und darunter litt, dass sie keine Niederlagen akzeptieren konnte, die doch ein unvermeidlicher und gesunder Bestandteil des Lebens waren.
    Aber sie wurde nur noch wütender, als sie gestand, ein Problem mit ihrem Zorn zu haben. Sie kam sich vor wie eine Verliererin, als sie zugab, dass sie nicht verlieren konnte. Nach jeder Sitzung wartete Kate vor der Klinik auf sie, und sie gingen Kaffee trinken. Zoe zwang sich, zu lachen und einen Extraschuss Haselnussaroma zu bestellen und zu behaupten, es gehe ihr tatsächlich schon viel besser.
    Ihre Trainingsleistung litt darunter. Wenn sie sich zu den Übungssprints aufstellten, konnte sie den alten Zorn tief in ihrem Inneren nicht mehr anzapfen und in ihre Muskeln lenken. Statt des Zorns war da nur noch ein dumpfer Schmerz, so kühl und grau wie das Meer im November, und sie hatte schon verloren, bevor die Trillerpfeife ertönte. Wenn Kate ihren Vorsprung mit jeder Runde vergrößerte, fürchtete Zoe nichts mehr als die Heilung durch den Therapeuten.
    Tom ließ sie jede Woche gegen Kate fahren, und als sie gar nicht mehr gewann, stellte sie die Besuche beim Therapeuten ein. Kate gegenüber behauptete sie, sie sei über den Berg, und die Freundin freute sich für sie.
    Beim nächsten Training schlug sie Kate zum ersten Mal seit einem Monat. Ein paar Wochen lang sprach ihr der Therapeut geduldige Nachrichten auf den Anrufbeantworter und riet ihr, die Therapie wieder aufzunehmen. Irgendwann rief er nicht mehr an.
    Zwischen Kate und Jack wurde es ernster. Zoe versuchte, erfreut zu wirken, wenn Kate von ihren Plänen erzählte – dass sie zusammen ein Haus kaufen, vielleicht heiraten und Kinder bekommen wollten. Kate fing an, sie nach dem Training zu sich einzuladen, und sie gewöhnte sich daran, beim Tee mit den beiden zu plaudern. Zuerst war es ihr unangenehm, weil Jack dabei war, doch allmählich wurde sie lockerer und konnte sich schließlich mit Kate zusammen über seine Musik lustig machen. Eines Morgens schließlich saßen sie zu dritt lachend am Küchentisch. Jack hatte sich zurückgelehnt, Kate rührte in ihrem Tee und Zoe ahmte Toms Akzent nach. In diesem Moment dachte sie bei sich: Das ist es. Endlich hat mein Leben angefangen, und das hier sind meine Freunde.
    Ende März kam es zum Streit zwischen Kate und Jack. Sie erfuhr es nicht von ihrer Freundin. Sie bemerkte nur, dass ihre Neckereien beim Training ausblieben und sie nicht mehr zu den beiden nach Hause eingeladen wurde. Kate erfand Ausreden, sagte, sie sei müde oder anderweitig verabredet, bis sie schließlich außerhalb der Bahn kaum noch miteinander sprachen. Zuerst machte sich Zoe Sorgen, dann war sie verwirrt und schließlich am Boden zerstört. Niemand reagierte auf ihre Anrufe. Kate war ihre erste Freundin – ihre einzige Freundin –, und es war verstörend, sie zu verlieren. Zum ersten Mal im Leben fiel es Zoe schwer, morgens aufzustehen. Sie saß auf der Bettkante, den Kopf in den Händen, und fühlte sich leer.
    Irgendwann lief sie Jack im Velodrom über den Weg und fragte ihn ganz direkt. Er sagte, er habe sich von Kate getrennt. Sie hätten miteinander gesprochen, und das Gespräch sei auf sie, Zoe, gekommen, und er habe den Fehler begangen – so nannte er es –, ihr zu erzählen, was er anfangs für Zoe empfunden hatte. Es habe einen Streit gegeben – einen dummen Streit, da das alles längst Vergangenheit war. War das nicht total dumm? War es nicht traurig, sich wegen etwas zu streiten, das eigentlich Schnee von gestern war?
    Zoe hatte zugestimmt, ja, sehr traurig und wegen nichts und wieder nichts, und dann war sie zurück in ihre Wohnung gefahren und hatte die halbe Nacht wach gelegen und an ihre Freunde gedacht.
    Eine Woche später flog Jack allein ins Trainingslager nach Gran Canaria, einen Tag vor Kate. Zoe war schon da. Spät am Abend klopfte sie an seine Zimmertür. Sie beruhigten sich gegenseitig, es sei in Ordnung, doch das war es nicht. Kate war viele, viele Kilometer entfernt, doch je mehr sie versuchten, sich ineinander zu verlieren, desto stärker spürten sie ihre Gegenwart. Zuerst fühlte Zoe sich nur unbehaglich, dann zerriss es ihr förmlich das Herz. Als sie nackt im Bett lagen und die Euphorie der ersten gemeinsamen Stunden nachließ, las

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