Gold
verheiratet war, erzählte, was sie mit ein bisschen Tinte angestellt hatte. Jack , Herrgott noch mal. Als hätte er das Recht, über sie zu urteilen.
Sie seufzte. Die Nadel summte an ihrem Arm, und es tat weh, wenn sie sich dem Handgelenk näherte, aber nicht mehr als ein Sprint auf der Bahn. Sie wusste nicht, wie sie Kate helfen sollte. Dass Zoe ihr das Selbstvertrauen genommen hatte, bedeutete noch lange nicht, dass sie es ihr auch wieder zurückgeben konnte. Es war leichter zu glauben, dass Kate nicht allzu sehr darunter litt; dass sie nicht wusste, wie unfair das alles gewesen war. Es war leichter zu hoffen, dass Kate nicht bemerkte, wie müde sie neben Zoe wirkte oder dass die Last namens Sophie sie langsamer machte.
Es war gemein, auch nur daran zu denken. Falls Kate wirklich verstand, was mit ihr passiert war – und immer noch mit ihr passierte –, hätte Zoe, gerade weil Kate nicht weinte, am liebsten geheult.
Da war es, das Brennen in den Augen. Zoe registrierte es und verband es mit den übrigen Bezugspunkten: der Beklemmung, dem inneren Zittern, dem stockenden Atem, die sie überkamen, wenn sie zu lange über Kate nachdachte. Es schien ein tief verwurzeltes Muster zu sein – eine Konstellation zusammenhangloser Gefühle, die in ihrer Gesamtheit das Bild eines Menschen ergaben, dem andere nicht gleichgültig waren. Andererseits konnte man die Sterne beliebig miteinander verbinden. Manche Leute sahen einen Großen Wagen, wo andere einen Pflug entdeckten.
Die Vorstellung, sie könne in irgendeiner Hinsicht ein guter Mensch sein, machte Zoe misstrauisch.
Sie hörte, wie Kates Gespräch mit Jack umschlug.
»Was ist denn los?«, fragte Kate. »Sei doch nicht so. Wir hatten nur ein bisschen Spaß.«
Zoe sah, wie ihr Gesicht in sich zusammenfiel.
»Es dauert doch nur eine Stunde. Ihr könnt so lange warten, oder? Na schön, Herrgott noch mal. Sag Tom, dass es uns leid tut. Wir hätten uns nicht einfach wegschleichen sollen.«
Schweigen.
»Es ist doch nur ein verdammtes Tattoo, Jack. Die olympischen Ringe. Nicht das Gesicht von Tony Blair.«
Zoe beobachtete, wie sich ein verwirrter Ausdruck in Kates Gesicht stahl, und fragte sich, was Jack wohl gerade gesagt hatte. Eigentlich war er nicht so spießig. Sie kannte ihn doch.
Im Herbst 2002 waren sie alle zweiundzwanzig gewesen. Jack hatte einige große Rennen gewonnen und Zoe alle, bei denen sie angetreten war. Verfolgung, Sprint, Zeitfahren. Alle anderen Mädchen kämpften in dieser Saison nur um den zweiten Platz. Zoe fuhr so viele Rennen, dass sie kaum noch zu trainieren brauchte. So ging es den ganzen Sommer, und sie gewöhnte sich daran, Kate auf dem Treppchen für den zweiten Platz zu sehen und ein wenig auf sie herabzuschauen. Nun, da sie Freundinnen waren, konnten sie leicht Witze darüber machen. Nächstes Mal bist du dran , sagte Zoe jedes Mal, und sie lachten darüber, während die Siegerehrung um sie herum weiterging. Erst als Zoe verlor, begriff sie, dass es gar nicht witzig war. Im Herbst, eine Woche vor der nationalen Meisterschaft in Cardiff, schlug Kate sie in einem Sprintrennen im Velodrom von Manchester, das zur besten Sendezeit im Fernsehen übertragen wurde. Zoe konnte das Gefühl nicht ertragen. Tom musste sie zwingen, sich die Silbermedaille abzuholen. Sie stand auf der zweiten Stufe und betrachtete Kates strahlendes Lächeln und ihre hübschen elfenhaften Wangenknochen von unten. Die Schmerzen in ihrem Nacken hielten die ganze darauffolgende Woche an.
In jenem Jahr war die nationale Meisterschaft eine Riesensache. Radrennen kam in Mode, die Zuschauermengen waren unglaublich. Alle Finalentscheidungen wurden live im Fernsehen übertragen. Jack gewann den Sprint. Zoe und Kate hatten die Vorläufe gewonnen und mussten gegeneinander fahren. Während Kate zusah, wie Jack auf das Podest stieg, durchsuchte Zoe seine Tasche nach seinem Handy und schickte sich selbst eine SMS. Als sie später neben der Bahn ihre Aufwärmtrikots auszogen und sich auf das Rennen vorbereiteten, tat sie, als hätte sie sie gerade empfangen.
Sie keuchte und gab sich verlegen. »Oh …«
Kate legte ihr die Hand auf die Schulter. »Was ist los?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Sorry.«
Zoe schnappte sich Helm und Schuhe und ging zur Startlinie, wobei sie das Handy liegen ließ. Das reichte schon. Am Start war Kate völlig aufgelöst. Die Siegerin musste zwei von drei Rennen gewinnen, doch Zoe brauchte kein drittes Rennen. Als Kate auf dem Podest auf
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