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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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hatte das Gegröle der Zuschauer sie oft geängstigt. Natürlich setzte es das Adrenalin in Gang, aber in seiner Mitte herrschte eine eigenartige Stille. Die Menge hatte dreißig Minuten Mittagspause. Die Menge rauchte vor dem Bürogebäude im Regen, drückte die Zigaretten aus und warf die glühenden Kippen durch das Metallgitter einer in der Wand angebrachten Entsorgungseinheit, wie es ein Rundschreiben der Firmenleitung angeordnet hatte. Jack hätte zur Menge gehört, wenn ihn sein Dad nicht aus seiner gewohnten und bequemen Umgebung hinausgeschubst hätte. Sie hätte zur Menge gehört, wenn ihr Vater sie nicht mit sechs zum Radrennen mitgenommen hätte. Es war eine sehr dünne Trennwand, und der Lärm der Menge drang mühelos zu ihr durch und verfolgte sie.
    Sie zitterte. Draußen war es dunkel, und das Geschirr lag im Spülbecken und die Wäsche im Korb, und das orangefarbene Licht der Straßenlaternen zeichnete die Umrisse der Dächer nach. Aus den Fenstern der Nachbarn drang warmes Licht, das Selbstvertrauen vermittelte. Fernseher flackerten. Und der Schaumteppich im Spülbecken wurde immer dünner.
    Tom hatte sie immer davor gewarnt: Eines Tages, und zwar früher, als ihr glaubt, ist es mit eurem Sportlerleben vorbei.
    Seifenblasen zerplatzten leise im Spülbecken.
    Sie hörte die Verzweiflung in der Stimme ihres Mannes. »Denk doch mal daran, was gut für dich ist. Du bist niemandem etwas schuldig.«
    Sie drehte sich um und schaute ihn an. »Dennoch möchte ich mich lieber um Sophie kümmern, als gegen Zoe zu kämpfen.«
    »Es geht nicht um Entweder-oder. Kate, es geht um deine Zuversicht. Ich weiß , dass du Zoe schlagen kannst. Das Einzige, was das verhindern kann, ist deine Angst zu verlieren.«
    Sie hörte die Schärfe in ihrer eigenen Stimme. »Ich habe Angst zu gewinnen. Gewinnen ist alles, was sie hat. Es macht mich nervös, wenn ich nicht weiß, was sie sich antun könnte, wenn wir sie mit nichts zurücklassen. Ich habe Angst davor, was sie uns antun könnte.«
    Sein Blick verriet ihr, dass es ihm ähnlich ging; dass er es bisher nur noch nicht in Worte gefasst hatte. Er dachte nur an den unmittelbaren Augenblick, so war es immer bei Jack. Ihr Leben war auch deswegen so kompliziert geworden, weil er es immer so leicht nahm. Es war nicht seine Schuld, dass sie mit schwierigen Situationen zurechtkam und er nicht. Menschen hatten ihren natürlichen Lebensraum, der nicht räumlich, sondern zeitlich definiert war. Für ihn war das Leben eines Neunzehnjährigen perfekt gewesen, und sie war eben mit zweiunddreißig besser.
    Sie küsste ihn behutsam auf die Wange, und beide umkreisten das Thema, das sie laut ausgesprochen hatte. Sie versuchten, es mit Worten abzupolstern und sicherer zu machen.
    »Sie kann uns nicht mehr wehtun, Kate. Die Sache ist fast zehn Jahre her. Wir sind jetzt älter und klüger.«
    »Sie auch.«
    »Aber was kann sie uns schon antun, solange wir einander vertrauen und nicht zulassen, dass sie sich zwischen uns drängt?«
    Die Frage stand zwischen ihnen.
    Kate schaute aus dem Fenster auf die dunklen Gärten und die Reihenhäuser, die unter dem plötzlichen Ansturm des Regens noch dunkler wurden. Sie hätte so viele andere Leben haben können.
    Als sie sechs Jahre alt war, hatte ihr Vater sie zu ihrem ersten Radrennen gefahren. Es war etwas, das sie gemeinsam unternehmen konnten. Dad hatte die Anzeige in der Lokalzeitung gesehen – es hätte ebenso gut Flohhüpfen oder Judo sein können.
    Beim Frühstück stritten Mum und Dad. Kate aß Spiegeleier und dachte nicht weiter über den Streit nach. Mum war schon seit Wochen brummig – das lag an ihrem neuen Job. Sie arbeitete als Vertreterin für eine Firma, die Stoff als Meterware verkaufte. Manchmal musste sie auch verreisen und ein-oder zweimal im Monat woanders übernachten.
    An diesem Tag schnappte Mum ihr den Teller weg, bevor sie aufgegessen hatte. Stellte ihn geräuschvoll neben die Spüle. Sie hatte Ringe unter den Augen. Dad sagte: »Wir kommen spät nach Hause, okay? Ich gehe nach dem Rennen mit Kate im Pub etwas essen.« Er lächelte und drückte ihre Hand. Sie dachte an ein Ploughman’s Lunch mit dicken braunen Brotscheiben und Butter, die in goldenes Papier eingewickelt war. Mit Käse und Chutney und eingelegten Zwiebeln, die seltsam durchsichtig waren und deren Schichten man nacheinander abziehen konnte. Dad würde ein Pint leichtes dunkles Bier trinken und sie eine Cola light.
    Dann sagte Mum zu Dad: »Warum bist

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