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Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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verkündete er. »Glückwunsch!«
    Als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte, fügte er hinzu: »Tut mir leid, habe ich etwas Falsches gesagt? Mein Englisch ist nicht so gut.«
    Zoe ließ den Test wiederholen. Sie hielt es für unmöglich, hatte sie doch so hart wie möglich trainiert. Natürlich war der Mann kein Sportmediziner, und sie erklärte ihm die physiologischen Vorgänge bei einer Leistungssportlerin. Dass der Körper merkte, wie gering die Fettspeicher waren. Dass er die unglaublichen Schmerzen registrierte, die man jeden Tag durchmachte. Dass er davon ausging, im Sterben zu liegen, und die nötigen Veränderungen am Reproduktionssystem vornahm. Der Arzt hörte höflich zu, während sie ihm die Veränderungen ihrer Hormonwerte schilderte, dass ihr Östrogenspiegel gefallen und der Testosteronwert gestiegen sei. Sie erklärte, sie habe seit drei Jahren keine Periode mehr gehabt und seit 1999 nicht verhütet. Der Arzt erwiderte, das sei wohl ein Fehler gewesen. In Deutschland waren die Ärzte offenbar sehr direkt.
    Als sie das Sprechzimmer verließ und in die Eingangshalle der Klinik trat, wartete Tom auf sie. Sie lächelte schwach und sagte, es sei nur ein Magen-Darm-Infekt.
    Als sie ins Hotel zurückkehrte, musste sie sich erneut übergeben. Sie trank Eiswasser. Kate war noch in der Halle und gab Interviews. Zoe schaute auf Eurosport zu. Kate strahlte förmlich.
    Sie schaltete den Fernseher aus und starrte eine Stunde lang die Wand an. Dann ging sie ins Internet, vereinbarte einen Termin in einer Abtreibungsklinik in Manchester und überarbeitete ihren Trainingsplan für Athen.
    Kate klopfte an die Tür. Sie hatte immerhin den Anstand, die Medaillen in der Tasche zu lassen, konnte ihren Triumph aber nicht verbergen. Das Gold ließ sie richtiggehend leuchten: ihre Haut, ihre Augen. Die Luft um sie herum glühte.
    »Na, glücklich?«, fragte Zoe.
    »Sei doch nicht so. Ich dachte, du brauchst jemanden zum Reden.«
    »Ich habe Tom.«
    Kate hielt inne. »Schön. Dann lasse ich dich jetzt in Ruhe, okay?«
    Zoe seufzte. »Geh nicht. Es ist nett, dass du gekommen bist.«
    Kate setzte sich neben sie aufs Bett. »Was ist denn los? Was haben die Ärzte gesagt?«
    Zoe lachte kurz auf. »Nur der Magen. Weißt du was, wenn wir wieder in England sind, dann … na ja. Lass uns was machen. Ins Kino gehen oder so.«
    »Nicht beim ersten Mal. Ich weiß ja nicht, was man so über mich erzählt, aber so ein Mädchen bin ich nicht.«
    Zoe lachte und fing mittendrin an zu weinen.
    »Was ist los, Zoe?«
    Sie schniefte. Biss sich auf die Knöchel und flüsterte: »Scheiße, ich bin schwanger, Kate.« Ihr Gesicht war so verzerrt, dass das Wort nur als Krächzen herauskam.
    »Was?«
    »Ich bin schwanger. Aber das weiß noch keiner.«
    »Keiner?«
    Zoe schüttelte den Kopf.
    »Oh. Wow. Ich meine … verstehe.«
    »Schon gut. Es spielt keine Rolle. Ich muss es loswerden.«
    Kate blinzelte. »Oh Gott, ich …«
    Zoe schluckte und sagte mit gebrochener Stimme: »Ich weiß. Aber es muss sein. Oder? Ich meine, ich will nach Athen. Ich will kein … Baby. «
    Kate schwieg.
    »Kate?«
    Zoe sah, wie sie das Gesicht verzog, konnte es aber nicht deuten. Sie brauchte lange, um zu begreifen, dass Kate mit den Tränen kämpfte. Zorn stieg in ihr empor. Warum weinte Kate, wenn ihr eigenes Leben in Scherben lag?
    »Was ist denn los mit dir? Ich habe keine andere Wahl, okay?«
    »Zoe, bitte …«
    »Ich habe keine Wahl. Also mach mir kein schlechtes Gewissen.«
    Sie sah, wie Kate mit roten Augen zu ihr aufblickte.
    »Ist es von Jack?«, fragte sie leise.
    Zoe spürte den Schlag erst nach einigen Sekunden. Sie hatte gar nicht daran gedacht, wessen Kind es sein, sondern nur, wie schnell sie es loswerden könnte. Die Frage schockierte sie so sehr, dass ihr Gesicht sie verriet. Es war nicht ausgeschlossen.
    Kates Gesicht wurde schwer vor Traurigkeit.
    »Ich wusste, dass etwas passiert ist«, sagte sie schließlich. »Er war im Trainingslager so still …«
    Zoe stand auf, verließ das Zimmer und lief lange allein durch die Straßen von Stuttgart. Erst beim Gehen wurde ihr klar, dass es keine andere Möglichkeit gab. Seit der Sache mit Jack hatte sie mit niemandem mehr geschlafen und auch im Monat davor nicht. Das hieß zweierlei: dass das Baby von ihm war und dass es ihr etwas bedeutet hatte, mit ihm zu schlafen, zumindest genug, um ihr Verhaltensmuster zu ändern. In ihren Gefühlen wie auch in ihrem Bauch war etwas gewachsen, und sie musste irgendwie die

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