Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gold

Gold

Titel: Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
Vom Netzwerk:
Es fuhr weg, und alle anderen überholten sie, während Kate erst wieder auf ihr Rad steigen musste. Sie kam als Letzte ins Ziel, in Tränen aufgelöst.
    »Das war verdammt unfair«, sagte Dad. Kate schluchzte. Sie sagte ja, ja, ja und meinte damit, dass es unfair war, dass das andere Mädchen vor seinem Vater Angst haben musste. Sie konnte es nicht erklären – warum es sie traurig machte, dass ihr eigenes Leben einfach war, warum sie Angst vor dem eigenen Glück hatte.
    Sie fuhren nach Hause. Es knirschte, wenn Dad schaltete. Er fuhr schneller als sonst. Seine Hände umklammerten das Lenkrad, die Knöchel waren weiß. »Du bist ein lieber Mensch, Kate«, sagte er. »Manche Leute werden versuchen, das auszunutzen.« Im Radio sprachen sie von den Gegenständen, die man aus der Raumfähre geborgen hatte. Tausend winzige Dinge waren ins Meer gefallen, jedes mit seiner eigenen Geschwindigkeit. Teile trieben auf den Wellen dahin. Die schweren Gegenstände waren untergegangen. Die meisten wurden nie geborgen.
    »Das Mädchen hätte nicht einfach wegfahren dürfen«, sagte Dad.
    »Sie hatte Angst. Ich wollte, dass sie gewinnt«, erwiderte Kate.
    Dad schwieg eine Weile. »Kate, ich bin stolzer auf dich, als wenn du gewonnen hättest.«
    Er fuhr zu schnell in einen Kreisverkehr. Die Reifen quietschten. Kate schloss die Augen und sog den Duft von Joop! ein.
    »Tut mir leid, dass du das beim Frühstück mit anhören musstest.«
    Er sprach leise und fuhr laut. Der Bolzen im Lenkrad schimmerte.
    »Es kommt daher, dass Mum müde ist«, sagte Kate.
    Er erwiderte nichts. Fuhr schneller. »Wir sind alle müde, Kate.«
    Sie hielt sich mit beiden Händen am Gurt fest.
    Dad fuhr geradewegs am Pub vorbei.
    »Was ist mit unserem Mittagessen im Pub?«
    »Mal sehen, ob Mum mitkommen möchte.« Seine Stimme klang angespannt.
    Als sie zu Hause ankamen, bremste Dad scharf. Kate musste sich am Handschuhfach abstützen. Vor dem Haus stand ein anderes Auto, schwarz und glänzend und neu.
    »Wem gehört der?«
    »Dem Chef deiner Mutter.« Seine Stimme war zu leise. »Warte hier.«
    Sie musste im Rover sitzen bleiben. Das war in Ordnung. Solange sie hier drinnen war, konnte nichts Schlimmes passieren. Dad hatte das Radio angelassen. Aus dem Haus ertönte Geschrei. Sie drehte das Radio lauter. Sie hatten Hunderte Blätter Papier gefunden. Seiten aus Flughandbüchern. Sie waren ins Meer geflattert. Einige waren fast zu Asche verbrannt. Die schweren Teile waren untergegangen – die Ringbücher, in denen sich die Seiten befunden hatten, die metallenen Ringe. Die Anweisungen trieben lose im Meer dahin. Darin stand, wie man in den Weltraum flog. Wie man die Fluchtgeschwindigkeit erreichte. Dad kam mit Mums Chef aus dem Haus. Sie schubsten einander. Kate hatte Angst. Sie duckte sich auf ihrem Sitz. Spähte über das Armaturenbrett. Mum stand im Morgenmantel in der Haustür und schaute zu. Sie sah, dass Kate sie anschaute, und wandte sich ab.
    Nach dem Geschrei fuhr Mum mit ihrem Chef weg und Dad mit Kate ins Pub. Sie aß einen Ploughman’s Lunch und er Pastete mit Pommes. Er trank ein Pint Mildes und sie eine Cola light mit Eiswürfeln und einem Zitronenschnitz. Sie redeten nicht miteinander. Die Eiswürfel in ihrem Glas hatten die Form von Fingerhüten. Wenn man sie mit dem Strohhalm verkehrt herum gegen das Glas drückte, füllten sie sich mit Luftblasen. Dad seufzte, als er sie dabei beobachtete. Sie lehnte sich an seine Brust und flüsterte: »Joop!«
    »Was hast du gesagt?«
    »Nichts.« Sie lächelte ihm zu. Die Eiswürfel klickten aneinander. Manche Wörter versanken nie, und manche schweren Dinge wurden nie geborgen.
    Dad lächelte. »Bevor sie gefahren ist, hat Mum gesagt, dass sie dich lieb hat.«
    Sie wusste, dass es gelogen war.
    »Dad?«
    »Ja?«
    »Ich bin stolzer auf dich, als wenn du gewonnen hättest.«
    Als sie sechsundzwanzig Jahre später Jack die Teller zum Abtrocknen reichte, sah sie ihn mit dem gleichen stillen Lächeln an wie damals ihren Vater.
    »Was?«, fragte er.
    »Vielleicht sind wir paranoid. Vielleicht will mich Zoe gar nicht dringender schlagen als ich sie. Nicht, wenn es bedeutet, dass die andere nicht zu Olympia kann. Ich glaube, sie hat sich wirklich verändert.«
    Er berührte ihren Arm. »Eine von euch muss aber gewinnen.«
    Sie neigte den Kopf. »Hast du je bereut, dass du dich für mich entschieden hast?«
    Er zögerte nicht mit der Antwort. »Du weißt, dass ich das nie getan habe.«
    Sie scharrte mit einem

Weitere Kostenlose Bücher