Goldbrokat
zu meinen blonden Haaren wirken. An Viola konnte er zu einer Sensation werden.
Ich freute mich darüber, dass sie es ebenso sah, als sie das Gewand zum ersten Mal anprobierte. Ihr blieb nämlich buchstäblich der Mund offen stehen, als sie sich im Spiegel betrachtete.
»Na, können Sie sich überwinden, sich damit an der Seite meines Bruders zu zeigen?«
»Madame!«, seufzte sie und küsste mir mit einer ebenso tiefen Reverenz wie vorher schon LouLou die Hände. Dann aber zwinkerte sie mir zu und versprach: »Er wird einen neuen Anzug haben. Ich schleife ihn an den Haaren zum Schneider!«
»Und falls Sie jemand fragen sollte, wer das Kleid für Sie entworfen hat, dürfen Sie meinen Namen in das neugierige Öhrchen flüstern.«
So machte man eben auch Geschäfte. Mal sehen, ob ich nicht doch eine vornehme Kundschaft würde anlocken können.
Aber diese Tat führte noch zu einem weiteren Handel.Viola hatte sich ausmanövriert gesehen, indem ich Leander gebeten hatte, ihr ein Kleid zu schenken, das sie sich nicht leisten konnte, und dafür nur einen symbolischen Preis genommen hatte. Sie dachte aber offensichtlich in ähnlich verschlungenen Pfaden,
denn am Tag darauf baten Leander und sie mich, sie zum Theater zu begleiten.
»Wir wollen Madame LouLou etwas schenken«, war ihre Begründung.
Morgens war das Theater leer, roch nach kaltem Rauch und verschütteten Getränken, abgestandenem Parfüm und Bühnenstaub. Zwei Frauen waren dabei, die Tische zusammenzustellen, um den Boden zu fegen und zu wischen; sonst war niemand anwesend.
»Trostlos, wenn keine Gäste hier sind«, meinte LouLou. »Und das Tageslicht bekommt unsereinem genauso wenig wie den ungeschminkten Räumen.«
»Kinder der Nacht, das seid ihr, Blumen, die nur im Gaslicht blühen. In einem Garten aus Kristall und künstlichem Laub.« Leander schnippte die bemalten Seidenblätter einer künstlichen Weinranke zur Seite, die sich von der Wand gelöst hatte.
»Poet sind Sie auch? Ich dachte, Sie malen.«
»Ich bin vielseitig begabt. Mama ist Musikerin, sie lehrte mich die Noten und auf dem Klavier herumzuhämmern. Das kann ganz nützlich sein. Darf ich das Instrument dort benutzen?«
»Solange Sie es mit Ihrem Gehämmer nicht verstimmen.«
Leander begann mit einem kleinen Geklimper, das sich lustig anhörte. Es steigerte sich plötzlich mehr und mehr, und dann brach ein donnernder Galopp los. Es war so mitreißend, dass ich nicht anders konnte als mitzuklatschen.
»Holla, was ist das, Leander?«, fragte ich, als er mit einem Crescendo endete.
»Das, meine Lieben, hat ein Kölner Musiker komponiert, der in Paris das Théâtre des Bouffes-Parisiens leitet. Jakob Offenbach, dort besser bekannt als Jacques Offenbach, stellte seine Oper ›Orphée aux enfer‹ im vergangenen Herbst dem äußerst geneigten Publikum vor, und Viola hatte darin die Rolle einer olympischen Tänzerin.«
LouLou, die ebenfalls begeistert mit dem Fuß gewippt hatte, schüttelte den Kopf.
»Opern sind nichts für mich, Leander.«
»Oh, diese schon. Es ist eine sehr komische Oper. Und jetzt wird dir Viola zeigen, wie man zu diesem Stück, das ich eben gespielt habe, tanzt.«
Viola lief auf die Bühne, und als diesmal der wilde Galopp erklang, fegte sie mit einer derartigen Dynamik über die Bretter, dass mir die Spucke wegblieb. Ihre Röcke wirbelten hoch, sie bekam den Saum zu fassen und schwenkte die bunten Unterröcke so, dass man die schwarzen Strümpfe und die rüschenbesetzten Hosen darunter sehen konnte. Sie schlug Rad und kreischte, juchzte, warf die Beine hoch. Zum Schluss nahm sie ihren rechten Fuß in die Hand, eine körperliche Leistung, die ich noch nie gesehen hatte, und drehte sich wie ein Wirbelwind umeinander, um zum letzten Akkord in einen Spagat zu springen. Zu springen, du liebe Güte!
Wir spendeten lauten Applaus.
Etwas atemlos kam sie dann zu uns und erklärte: »Das tanzen die Wäscherinnen und Nähmädchen in den Cafés. Monsieur Offenbach hat es zu seinem CanCan inspiriert. Sie haben vier Tänzerinnen, Madame LouLou. Wenn Sie wollen, bringe ich ihnen das bei.«
Leander nahm die Noten vom Klavier und reichte sie der sprachlosen LouLou.
»Unser Geschenk«, meinte er grinsend. »Aber fragen Sie nicht, wie wir darangekommen sind.«
»Vielleicht näht Ariane ihnen die Kostüme. Es ist gut, wenn die Röcke innen bunte Volants haben.«
Nachdem LouLou wieder der Sprache mächtig war, drehte sie sich um und meinte trocken zu mir: »Sieh dich beauftragt,
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