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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Jahr die Blätter geerntet hatte, erkannten ihn und nickten ihm freundlich zu. Er grüßte zurück, und mit kraftvollen Schritten erklomm er den Berg. Als die Sonne aufging, beleuchtete sie
die safrangelbe Außenwand des Klosters. Er trat durch das Tor, und der Klang der Bronzeglocken umfing ihn. Eine mehr war es als im letzten Jahr – sein Geschenk war offensichtlich gut angenommen worden. Auch der vertraute Duft der Pinien hieß ihn willkommen, der gleichförmige Singsang der Mönche in der Gebetshalle, der säuerliche Geruch der eingelegten Rettiche in den Fässern hinter dem Küchengebäude und der Rauch der Kohlebecken.
    Er wartete, bis die Sutren beendet waren und sich die Mönche zu ihrem Morgenreis versammelten. Sie nahmen ihn mit beiläufigen Grüßen selbstverständlich in ihrer Mitte auf, und er trank den bitteraromatischen, heißen Tee mit ihnen, der die Morgenkühle vertrieb.
    Das Kloster war ein Hort des Friedens für ihn geworden, und er war dem Geschick dankbar, dass es ihn, wenn auch unter übelsten Umständen, hierhin geführt hatte.
    Als die Mönche sich erhoben, um sich ihren täglichen Pflichten zu widmen, machte der Abt ihm ein Zeichen, zu ihm zu kommen.
    »Der Wind hat sich gedreht, Drago tai pan .«
    »Ja, er hat mich auf den Kalten Berg geweht. Ich komme um Unterweisung.«
    Der Xiu Dao Yuan nickte und sagte: »Folgt mir.«
    Leicht überrascht bemerkte er, dass der Abt geradewegs auf die Gebetshalle zuschritt. Er betrat zum ersten Mal die weiß gestrichenen Holzstufen, die zu den roten Säulen des Tempels führten. Am Eingang blieb der Abt stehen und bedeutete ihm einzutreten.
    Süßer Weihrauchduft hing noch in der Luft, und die Sonne ließ die vergoldeten Statuen der Boddhisatvas aufleuchten. Umgeben von kunstvollen Ornamenten aber saß der still lächelnde Buddha auf seinem Podest.
    Sie setzten sich zu seinen Füßen nieder, und Ruhe umhüllte sie. Es war nicht die Zeit zu reden, nicht die Zeit, laut Fragen zu stellen.Wie jedes Mal, wenn er mit dem Abt zusammen war,
sammelte er seine Gedanken, um für sich selbst das Problem zu formulieren, das ihm auf der Seele lag.
    Es war in der Vergangenheit begründet und reichte bis in die Gegenwart. Es beruhte auf seinem Handeln, seiner Entscheidung und der Reaktion darauf. Diese hatten seinen Stolz empfindlich verwundet, so sehr, dass er bisher tunlichst vermieden hatte, sich der Verletzung zu stellen. Unbändige Wut über den Schlag, der ihm versetzt worden war, hatte ihn damals gepackt, und er verspürte ihren Nachhall noch immer. Körperlich sogar und so sehr, dass er sich zwingen musste, seinen Atem wieder zu beruhigen und durch seine Glieder zu lenken. Das Gefühl durfte ihn nicht übermannen, er musste sich lösen, denn nur dann würde er klar sehen, warum es eine solche Macht über ihn hatte, dass es sein Gleichgewicht störte. Er ließ den Atem fließen und schaute in das ruhige, lächelnde Gesicht des großen Weisen, der die Schädlichkeit der zerstörenden Leidenschaften für den Seelenfrieden der Menschen erkannt hatte. Langsam floss der Zorn aus ihm heraus, wann immer ein Atemzug seine Lungen verließ, verließ ihn auch die Wut. Doch die Bindung blieb. Als er sie nun betrachtete, mit weniger Emotion, sah er, dass ihn an sein Handeln von damals das niederschmetternde Gefühl des Versagens band, das er sich nicht hatte eingestehen wollen und auch jetzt nicht gerne eingestand. Wieder verkrampfte sich sein Magen. Es war müßig, nach Falsch oder Richtig zu fragen, das hatte er inzwischen gelernt. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern. Er hatte getan, was er getan hatte. Und so demütigend auch die Erkenntnis war, nur wenn er sich ihr jetzt stellte, konnte er die Bande lösen. Wenn er nur wüsste, wie. Eine Ahnung flog ihn an, dass er hier auf die Spur des wahren Drachen gekommen war.
    Als er zu diesem Schluss gelangt war, erhob der Abt seine Stimme.
    »Der Seidenspinner schlüpft aus seinem Kokon, sucht sein Weib, begattet es und stirbt. Sie legt die Eier und stirbt ebenfalls. Nie sehen die Eltern ihre Brut.«

    Ein Schmerz, scharf wie der Stich mit einer stählernen Klinge, durchfuhr ihn.
    Er krümmte sich innerlich.
    Rang nach Atem.
    Der Xiu Dao Yuan blieb still neben ihm sitzen, den Blick unverwandt auf den Erleuchteten gerichtet.
    Die Bronzeglocken webten ihren Klangkokon um ihn, die Pinien rauschten, süß duftete der Weihrauch.
    Der Schmerz ebbte ab, der Atem floss wieder.
    Sein Geist klärte sich.
    »Danke, ehrwürdiger Abt. Es

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