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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ist an der Zeit, eine lange Reise zu tun.«
    Der Xiu DaoYuan verbeugte sich, erhob sich geschmeidig aus dem Lotussitz und verließ die Gebetshalle.
    Weit weniger geschmeidig löste der weißhäutige Drache seine steif gewordenen Glieder und trat hinaus in das Licht der Aprilsonne.
     
    Zwei Tage später hatte er mit dem Kapitän des Fracht-Klippers ausgemacht, dass er und George Liu seine Ladung Seide höchstpersönlich nach Hamburg begleiten würden. Eine weitere Woche später befand er sich auf See.

Helenens Eitelkeit
    Es war einmal eine kleine Idee,
ein armes, schmächtiges Wesen.
Da kamen drei Dichter des Wegs – oh weh! -
Und haben sie aufgelesen.
     
    Otto Sommerstorff, Die arme kleine Idee
    »Laura, nun halt doch mal still, damit ich dein Kleid zumachen kann.«
    Doch stillhalten, das war schwierig, wenn man so aufgeregt war, fand Laura, aber sie gab sich große Mühe. Hannah war ein bisschen ungeduldig geworden, denn sie selbst sollte ja auch mitkommen und musste sich noch umziehen. Ihr eigenes Kleid war sehr hübsch, Mama hatte es extra für diesen Tag genäht. Weißer Musselin mit kleinen Rosenknospen drauf und rosa Seidenbändern. Und ganz, ganz viele Rüschen an den Unterröcken. Rosa Schleifen würden sie auch noch um die Zopfenden binden, hatte Hannah versprochen.
    Überhaupt war es gar nicht mehr so schlimm, dass Mama eine Wohnung in der Zeughausstraße hatte. Nur manchmal, nachts, vermisste sie sie noch. Früher konnte sie zu ihr ins Bett krabbeln, wenn sie böse Träume hatte. Aber das war kindisch, hatte Philipp gesagt. Der bildete sich natürlich was darauf ein, dass er ein Jahr und drei Monate älter war als sie und im nächsten Monat seinen zehnten Geburtstag feiern würde.
    Jedenfalls fand Onkel Leander, dass sie beide alt genug waren, um an diesem Nachmittag seine Ausstellung zu besuchen.
    Onkel Leander – der war mal einer! Überhaupt kein bisschen alt und steif wie ihre anderen Onkel in Münster. Und was
der alles erzählen konnte! Ganz schrecklich viele Geschichten wusste er, und gar nicht trockene, auch wenn sie von den alten Griechen und Römern handelten. Wie die mit dem Fädchen. Darum nannte er Mama ja auch immer so.Weil sie Ariane hieß, wie diese Frau, die ihrem Freund ein Knäuel roter Wolle mitgegeben hatte, damit er sich in dem Labyrinth nicht verirrte. Oder die Geschichte von Orpheus, der seine Frau aus der Unterwelt befreien musste und das mit seiner Musik geschafft hat. Und die ulkigen Verse, die er so einfach dichten konnte. Mama konnte aber gut mithalten, und sie selbst hatte ebenfalls schon manchmal einen kleinen Reim beigesteuert. Philipp sah bei dem lustigen Spiel aber immer ziemlich blass aus. Gut, das war Schadenfreude, und die gehörte sich nicht. Jedenfalls war Onkel Leander ein Pfundskerl, und Philipp und sie hatten schon ein paarmal überlegt, ob sie ihn bitten sollten, sie wenigstens für die großen Ferien nach Frankreich mitzunehmen. Aber die Fahrt war bestimmt sehr teuer. Er hatte Mama schon gesagt, dass er sie sich nicht hätte leisten können, wenn der Herr Kronenberg nicht die Kosten übernommen hätte.
    Endlich waren alle Knöpfchen am Kleid geschlossen, und Hannah fegte ihr mit der Bürste durch die Locken. Es ziepte, weil sie es so eilig hatte, aber standhaft unterdrückte Laura einen Schmerzenslaut. Flink wurden ihr zwei lange, blonde Zöpfe geflochten und die versprochenen Schleifen kamen an ihren Platz.
    »Wie ein kleines Prinzesschen siehst du aus, mein Schatz.«
    »Das sagt Onkel Leander auch immer.«
    »Dann achte darauf, dass kein Fleck auf das Prinzesschen kommt. Ich ziehe mich jetzt schnell um. Schaust du bitte, ob dein Bruder inzwischen mit seiner Toilette fertig ist?«
    Philipp hatte natürlich wieder getrödelt, sein Kragen stand noch offen, die Schuhe hatte er noch nicht angezogen, und die Haare sahen auch noch ziemlich struppig aus.
    »Ach, mach doch nicht so ein Gedöns darum«, fuhr er sie an, als sie sich ihm mit dem Kamm näherte.

    »Wir sollen ordentlich aussehen. Du weißt doch, sonst gucken sie Mama dumm an.«
    Er gab nach und ließ sich auch die Schleife um den Kragen legen. Einen richtigen Anzug hatte Mama ihm anfertigen lassen, und er sah wie ein echter Kavalier aus. Hoffentlich hielt das …
    Sie gingen nach unten, wo sie Tante Caro trafen, die sie wieder mit einer ganzen Litanei von Verhaltensregeln überschüttete. Laura dies, Laura das, und dass du mir nur sprichst, wenn du gefragt wirst … blablabla. Gewohnheitsgemäß

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