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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wäre sehr freundlich von Ihnen, Frau Waldegg. Es ist nämlich manchmal nicht sehr nett in der Schule.«
    Sie hatte keine Freundinnen mehr, weil die Mütter der Mädchen ihren Töchtern verboten hatten, mit Laura Kusan zu verkehren. Aber das hatte sie Mama nicht gesagt. Frau Waldegg hingegen verstand das offensichtlich, denn sie nickte.
    »Es gibt sehr viel Dünkel unter den Damen.«
    »Ja, und Mama ist in Verschiss bei ihnen.«
    Frau Waldegg gab ein kleines Schnauben von sich. »Nicht eben damenhaft, deine Bemerkung, aber ziemlich treffend.« Sie nahm ihre Hand und bahnte sich den Weg zu Mama, die jetzt neben Onkel Leander stand und sich mit einigen Herren unterhielt. Sie kamen aber nicht dazu, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, denn die Musiker spielten einen kleinen Tusch, und Herr Kronenberg kündigte an, dass zur Unterhaltung der wohledlen Gesellschaft Frau von Schnorr zu Schrottenberg sich auf das inständige Flehen einiger Gäste hin bereit erklärt hatte, die Veranstaltung mit einigen literarischen Beiträgen zu bereichern.
    »Das ist Tante Caros Werk!«, zischelte Mama.
    »Nein, Fädchen, das ist meines«, antwortete Onkel Leander und grinste wie ein Wolf. »Ich habe Helenen bezirzt, ihr neuestes Werk vorzutragen. Es hat seinen Reiz, du wirst schon sehen.«
    Dann wurde es still im Saal, und die Frau in den grauen Flattershawls trat an den Flügel, holte ein dünnes Bändchen aus ihrem Retikül und schlug es auf. Mit einem schmachtenden Augenaufschlag verkündete sie, sie wolle nun das Gedicht über die Macht des Fächers vortragen. Sie deklamierte mit bebender Stimme:
    »Ode an den duft’gen Hauch des Zephros.«
    Die Dame sah dramatisch auf und holte tief Luft, um die erste Strophe vorzulesen, doch in diesem Augenblick fuhr der Mann mit dem Cello mit dem Bogen über eine Saite, und es hörte sich an... also es hörte sich wirklich so an … tatsächlich, als ob sie richtig laut gepupst hätte.

    Es war ganz still im Raum.
    Und dann sagte Onkel Leander mit laut schallender Stimme:
    »Es bläh’n Vapeurs des Rockes Weiten.
Sie ließ drauf fahren alle Eitelkeiten.
Kein Ton entringt sich der Poetin Kehlchen.
So geht’s den aufgeblas’nen Dichterseelchen.«
    Mit hochrotem Kopf drehte sich die Dame um und verließ den Saal.
    Wie konnte man da schweigen, es platzte förmlich von ihren Lippen. Bevor sie den Worten Einhalt gebieten konnte, hörte Laura sich selbst deklamieren:
    »Und aufgepustet wie ein Ballon
Verlässt Helenen den Salong.«
    Ganz geschwind versteckte sie sich hinter Mamas weiten Röcken. Das Geraune im Saal wurde laut und immer lauter, und als sie ganz vorsichtig nach vorne schaute, sah sie, dass einige Leute sich Tüchlein vor das Gesicht hielten, ganz viele Fächer aufgeklappt waren und Mama sich verzweifelt auf die Fingerknöchel biss.
    »Exit Helenen«, sagte Onkel Leander.
    Mamas Stimme gluckste ein bisschen, als sie sagte: »Eine treffliche Giftspritze, mein Bruder.« Dann wurde sie aber ernst und fügte hinzu: »Aber für mich wird es dadurch nicht leichter.«
    »Du bist nicht auf sie angewiesen, Ariane.«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische, Herr Werhahn«, sagte Frau Waldegg, und beide sahen sie an. »Ihre Schwester mag nicht auf Helene und ihren Klüngel angewiesen sein, aber es wird nicht leichter für ihre Nichte und ihren Neffen. Wenn ich Laura recht verstanden habe, gibt es schon Probleme in der Schule. Die Dichterfürstin ist nachtragend und gehässig.«

    Onkel Leander sah plötzlich betroffen drein.
    »Das habe ich verbockt, was?«
    Mama sah auch ganz unglücklich aus.
    »Wir werden Rat finden. Ich suche Sie morgen auf, Frau Kusan, wenn es Ihnen recht ist.«
    »Gerne, Frau Waldegg, wann immer es Ihnen genehm ist.«
    Laura wäre gerne in einem Mauseloch verschwunden. Mist aber auch, dass sie selbst genauso ein vorlautes Mundwerk wie Onkel Leander gehabt hatte.

Nachrichten aus China
    Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt, was er verloren,
Lassen muß, was er erkoren,
Das geliebte Herz,
Der versteht in Lust die Tränen
Und der Liebe ewig Sehnen.
     
    Karoline von Günderode, Die eine Klage
    Für Leander war die Vernissage ein unerwarteter Erfolg, trotz des beschämenden Intermezzos mit der Dichterfürstin. Ich gönnte ihr natürlich die Abfuhr; sie hatte sich zuvor höchst süffisant über die Klecksereien eines stümperhaften Malers ausgelassen, der noch nicht mal einen geraden Strich ziehen

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