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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ihr Diener!«
    Er erhob sich und reichte mir den Arm.
    »Zu Fuß, Drago?«
    »Aber nein, der Kutscher wartet um die Ecke.«
    Das Gefährt kam auf seinen Wink herbei, und er half mir einzusteigen. Auf dem kurzen Weg zum Dom schwiegen wir, dann geleitete er mich zu dem höchst mondänen Speiseraum, wo ein katzbuckelnder Oberkellner uns zu einem opulent gedeckten Tisch an der Fensterfront führte. Dem besten im Saal. Drago schien ein geachteter Gast zu sein. Ich war viel zu gefangen genommen von all der Pracht um mich herum, als dass ich jemanden wahrgenommen hätte, aber es war vermutlich nicht
ausgeschlossen, dass einige der wohlhabenden Mitglieder der gehobenen Gesellschaft, in der ich einst mit Tante Caro verkehrte, sich ebenfalls eingefunden hatten.
    »Du bist zum ersten Mal hier?«
    So schnell es ging, versuchte ich eine blasierte Miene aufzusetzen.
    Er durchschaute mich.
    »Lass nur, kleine Tigerin. Mich beeindruckt es auch, und ich wohne schon seit über einer Woche in diesem Palast. Sie haben sich an meine Exzentrizitäten erfreulich schnell gewöhnt.«
    »Exzentrizitäten?«
    »China prägt einen Menschen.« Er nickte dem Kellner zu und bat: »Für Madame bitte die Karte.«
    »Du isst nichts?«
    »Doch, aber nichts aus dem Menü. Aber das braucht dich nicht zu stören.Wähl aus, was du möchtest.«
    Er machte mich neugierig. Außerdem waren Speisen ein unverfängliches Thema.
    »Was isst du Besonderes? Spezielle chinesische Gerichte?«
    »Die würde man hierzulande nicht zubereitet bekommen. Nein, ich habe mir angewöhnt, kein Fleisch mehr zu essen. Und wie du siehst, gibt es aus dieser Küche nichts, das fleischlos wäre.«
    Ich warf einen Blick auf die goldgerandete Menükarte, die mir gereicht worden war, und musste ihm zustimmen. Meine Frage, die ich sorgsam zu formulieren versuchte, beantwortete er mit einem Lächeln, ohne dass ich sie stellte.
    »Ich verbrachte eine lange Zeit in einem buddhistischen Kloster und habe mir manches von dem Leben der Mönche zu eigen gemacht.«
    Ach du lieber Gott – Drago bekehrt? In meinen verrücktesten Träumen wäre ich auf diese Idee nie gekommen. Ich musste schlucken.
    »Überrascht, kleine Tigerin?«
    »Ein wenig.«

    »Nein, nein, ich habe kein Gelübde abgelegt.« Er grinste mich an, und ich fürchtete, laut gedacht zu haben. »Aber die Mönche vom Kalten Berg haben mich von einem sehr wackeligen Rand zurückgeholt. Fast wäre dein Wunsch wahr geworden, und du hättest dich zu Recht Witwe nennen können. Beinahe ein Jahr habe ich gebraucht, um wieder zu Kräften zu kommen. Ein Jahr in Abgeschiedenheit und einer ganz anderen Form des Daseins. Ich denke, ich habe etwas gelernt in dieser Zeit. Nicht nur, dass Atmen Leben bedeutet.«
    »Ich habe nie gewünscht, dass du tot wärst.«
    »Doch. Gestern Nachmittag stand Mordlust in deinen Augen.«
    »Mörderische Wut. Und das wolltest du doch, nicht wahr?«
    »Ja, das wollte ich.«
    »Lassen wir es dabei.« Ich wollte geschäftlich, ja freundlich sein. Und um mein Entgegenkommen zu zeigen, bat ich: »Bestell du für uns beide. Ich will probieren, was du isst.«
    »Höflich, kleine Tigerin?«
    Ich zuckte mit den Schultern und unterdrückte eine Antwort.
    Er winkte dem Ober, gab ihm an, was er uns bringen sollte, und schickte ihn mit einem Gruß an die Küche wieder fort.
    »Den Küchenchef hast du also auch schon um den Finger gewickelt?«
    »Ich habe mich mit ihm unterhalten, ja. Er zeigte sich zunächst befremdet, aber die Direktion des Hauses hat ihn gefügig gemacht.«
    »Und dein Geld?«
    »Und mein Geld.«
    Er hatte also wirklich sein Glück gemacht. Während ich meine Groschen dreimal umdrehen musste. Nein, Ariane, nicht bitter werden, geschäftsmäßig und freundlich bleiben. Und endlich zur Sache kommen.
    »Willst du die Kinder wirklich zu dir nehmen?«
    Er hob eine Braue, nickte aber dann.

    »In China würde man dir gröblichste Unhöflichkeit vorwerfen, so schnell das Thema anzusprechen. Aber es ist dein wichtigstes Anliegen. Ich verstehe. Gut, dann sprechen wir jetzt gleich darüber. Ich will deine Kinder kennenlernen. Wenn nötig, möchte ich etwas für sie tun, was ihre Zukunft sichert. Ariane, ich bin vor gut einem Monat in Hamburg angekommen und habe mich gleich auf die Suche nach euch gemacht. Dabei habe ich ziemlich viel erfahren – Tatsachen, Gerüchte,Vermutungen. Einiges davon würde ich gerne von dir genauer wissen.«
    »Und ich? Werde ich auch von dir etwas erfahren?«
    »Ja, kleine Tigerin. Aber

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