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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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mich bei dem Einakter beraten. Ich hätte vermutlich eine gröbere Posse gewählt. Es geht doch nichts über eine gründliche Schulbildung«, sagte LouLou mit einem schiefen Lächeln. »Und aus Melisandes umfangreichem Liedgut hat sie auch die passenden Stücke herausgesiebt.«
    »Sie haben also auch die künstlerische Leitung übernommen, Frau Kusan.«
    »Ich habe meine Meinung geäußert, als ich gefragt wurde.«
    »Du wirst es hoffentlich wieder tun.Wir werden uns am Publikumsgeschmack orientieren.«
    »Besser, wir bekommen ein Publikum, das sich an unserem Geschmack orientiert«, murmelte ich und musste gähnen. Die Nacht war schon weit fortgeschritten.
    »Eine brillante Idee, Frau Kusan, und nun erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu bringen.«
    »Das wäre nett. Danke.«
    Nona und ich suchten unsere Umhänge, und inzwischen hatte Gernot Wever tatsächlich eine Droschke aufgetrieben.
    Die kühle Nachtluft weckte meine Lebensgeister wieder, und ich gab ihm die Adresse an, zu der uns der Kutscher bringen sollte. Als wir meine umfangreichen Röcke in der Droschke verstaut hatten, fragte ich: »Sie werden doch heute Nacht nicht mehr nach Mülheim fahren?«

    »Schwerlich. Ich habe mir ein Zimmer im Hotel am Dom genommen. Übrigens muss ich Ihnen danken, Frau Kusan, Sie üben einen guten Einfluss auf Louise aus.«
    »Ich glaube nicht, dass irgendjemand Ihre Schwester in irgendetwas beeinflussen kann, was sie nicht selbst will.«
    »Dann sind Sie eben zum rechten Zeitpunkt am rechten Ort gewesen. Und haben offensichtlich das Richtige getan. Also nehmen Sie bitte meinen Dank an.«
    »Es liegt Ihnen viel an LouLou, nicht wahr?«
    »Sie ist die Letzte meiner Familie.«
    »Ja, das sagte sie.«
    Ich schwieg darauf, denn es mochten sich Tragödien hinter dieser Tatsache verbergen, an die ich besser nicht rührte. Aber mir fiel plötzlich etwas anderes ein, wie ich meine Familie beglücken konnte. Ob Gernot Wever darauf eingehen würde, wagte ich nicht abzuschätzen, aber fragen schadete ja nicht.
    »Ich erwähnte ja schon, dass ich zwei Kinder habe. Mein Sohn ist ein wissbegieriger Forscher und liegt mir ständig damit in den Ohren, dass er gerne eine Dampffabrik besichtigen würde.«
    »Aha. Eine Dampffabrik. Nun, mit einer Dampfmaschine könnte ich dienen, wie auch mit allerlei Maschinen, die durch sie angetrieben werden.«
    »Würde es Ihnen sehr viel ausmachen, mir, Laura und Philipp Ihre Fabrik zu zeigen?«
    Aus der dunklen Wagenecke kam ein belustigtes Lachen.
    »Es wäre mir geradezu ein Vergnügen, Frau Kusan, den jungen Ingenieur und die kleine Dame herumzuführen. Ich habe es schon immer bedauert, dass das heutige Schulsystem so wenig technische und naturwissenschaftliche Ausbildung anbietet. Ich spreche gleich morgen mit meinem Werkmeister und lasse Sie dann wissen, wann sich ein günstiger Termin ergibt.«
    »Sie sind sehr gütig, Herr Wever.«
    »Gütig, nein. Nüchtern, geschäftstüchtig, gelegentlich unnachgiebig und zumeist sparsam, aber Güte gehört nicht zum Katalog meiner Charaktereigenschaften.«

    »Nun, dann sind Sie eben einfach nett.«
    Er lachte noch einmal auf, und dieses Lachen gefiel mir.
    »Na gut, dann akzeptiere ich eben nett. Meine Damen, wir sind da.«
    Er öffnete den Schlag und half mir und Nona beim Aussteigen, begleitete uns noch zur Tür und verabschiedete sich mit einem etwas steifen, aber eleganten Handkuss von mir.
     
    Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte und den Umhang ablegte, fragte Nona mit leiser Stimme: »Was ist ›gütig‹, Madame?«
    »Bienveillant.«
    »Ist er nischt?«
    »Er will es nicht sein.«
    »Aber Sie sind bienveillante, Madame.«
    Damit brachte Nona mich in dieselbe Verlegenheit, in die ich Gernot Wever soeben versetzt hatte.
    »Nein, Nona, auch ich bin das nicht.« Und dann grinste ich sie an. »Aber manchmal bin ich ganz nett!«
    »’türlisch, Madame!«

Im Maulbeerhain
    Nachzufolgen mit Beharrlichkeit ist Erfolg beschieden.
Nur durch Dienen kommt man zur Herrschaft
Und erlangt die Zustimmung Untergebener.
So wird Gelingen ohne Makel zuteil.
     
    I Ging, Siu – Die Nachfolge
    Die Bäume standen in vollem Laub, die Vögel fochten ihre Sangeskämpfe um Revier und Liebste aus, an den Ufern blühten die Azaleen, und der Klang der Bronzeglocken verhallte unter einem porzellanblauen Himmel.
    Er fühlte sich kräftiger, seit er wieder Appetit am Essen gefunden hatte, seine Arme erinnerten nicht mehr an dürre Stecken, die Rippenbögen stachen nicht mehr

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