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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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pragmatischer betrachteten als die auf Schöngeistigkeit und Wohlfahrt ausgerichteten Biedermeier. Ich hatte einige von ihnen bereits kennengelernt, seit Bernhard Marquardt mich eines Tages zum Besuch einer Vernissage eingeladen hatte. Zu diesen Menschen hatte ich sogleich ein weit herzlicheres Verhältnis gefunden als zu den Freunden meiner Tante. Mir gefiel die eigensinnige Lichtbild-Künstlerin Sebastienne Waldegg sehr, die mit ihren dreiundvierzig Jahren noch immer unverheiratet war und ihr Geld mit Portraits, aber auch mit Aufnahmen für die Presse verdiente. Ihr Bruder, Paul-Anton Waldegg, der Erbe eines renommierten Verlagshauses, machte mich mit einer scharfzüngigen Journalistin bekannt; die wiederum wurde von zwei jungen Forschern begleitet, die höchst angeregt über ihre geologischen Expeditionen zu berichten wussten. Kurzum, schon allein die Themen, über die man sich unterhielt, waren weit anregender als die literarischen Ergüsse im Hause Belderbusch. In dieser Runde war ich auch wieder Albert Oppenheim begegnet, der keine Scheu zeigte, sich mit mir offen zu unterhalten.
Allerdings teilte er meine Einschätzung, dass meine Aussicht auf einen Bankkredit noch immer schlecht war.
    Aber in LouLou hatte ich eine Auftraggeberin gefunden, die meine Arbeit ausreichend honorierte, sodass ich zunächst darauf nicht mehr angewiesen war.
    »Madame, es wird Zeit zu kleiden«, sagte Nona, die, als die Glocken der Stadt sieben Uhr schlugen, aus einem Berg rüschenbesetzter Unterröcke auftauchte, an denen sie mit wunderbar akkuraten Stichen Spitzen genäht hatte.
    »Was? O ja. Schluss mit den Tagträumereien! Du hast ganz recht. Hilfst du mir beim Anziehen?«
    »Mais oui, Madame.«
    »Wie heißt das auf Deutsch?«
    »Ja,’türlisch, Madame!«
    Ich musste lächeln. Philipps Sprachkurs trug Früchte.
     
    Im trügerisch schlichten Kleid aus meerblauem Damast und feinstem, blassgrünem Tüll fand ich mich dann im Salon ein, um der Premiere von LouLous Vaudeville-Theater beizuwohnen. Sie selbst, in schwarzem, silberdurchwebtem Brokat, die mahagonifarbenen Locken hoch aufgetürmt, begrüßte ihre Gäste und führte einige davon höchstpersönlich an ihre Tische. Die Serviermädchen standen mit Champagnerflaschen bereit, hinter dem goldgelben Samtvorhang vor der Bühne erklangen die gespenstischen Töne, wie sie beim Stimmen der Instrumente entstehen, Korken knallten leise, Seide raschelte, Fächer wedelten Parfümwölkchen und den Rauch feinster Zigarren durcheinander, es wurde gelacht und geplaudert, und ich nickte dem einen oder anderen Bekannten zu, ohne mich in die Gespräche einzumischen. Das war an diesem Abend nicht meine Aufgabe.
    Ein distinguierter Herr im Abendanzug verbeugte sich dennoch neben mir und sprach mich unaufgefordert an.
    »Verzeihen Sie, Frau Kusan, dass ich mich aufdränge, aber meine Schwester hat momentan keine Zeit, mich vorzustellen.
Sie hat mir aber schon so viel von Ihnen erzählt, dass ich unbedingt Ihre Bekanntschaft machen möchte.«
    Ich sah ihn an und nickte leicht, denn etwas an ihm kam mir augenblicklich bekannt vor.
    »Gestatten, mein Name ist Gernot Wever. Seidenfabrikant aus Mülheim.«
    »Natürlich. Es ist die Nase!«, entfuhr es mir, als er höchst korrekt dieselbe über die Hand beugte, die ich ihm reichte.
    »Ein Familienübel, und Louise macht weitaus mehr daraus als ich.«
    »So hatte ich es aber nicht gemeint. Ich freue mich, dass Sie heute kommen konnten. LouLou lag viel daran.«
    Er blickte sich kritisch um, als ob er nicht recht glauben wollte, was er sah. Es war ein hoher, von kunstvoll geformten Gaslampen erhellter Raum mit zartgelb getünchten Wänden, weißen Stuckapplikationen, gelbweiß gestreiften Portieren und weiß gedeckten Tischen, auf denen das Kristall der Gläser funkelte. Offensichtlich hatte er eine Lasterhöhle erwartet, zumindest aber roten und schwarzen Plüsch und den schwülen Duft von Moschus und Amber. LouLou hatte mir das eine oder andere von ihm erzählt, sodass ich nun versteckt schmunzeln musste.
    »Finden Sie, dass Ihr Geld gut angelegt ist?«, erlaubte ich mir leicht zu sticheln. Ein nüchternes Lächeln antwortete mir.
    »Wenn das Programm nur halb so geschmackvoll ist wie das Interieur, dann werde ich nicht klagen.«
    »Es gibt einen musikalischen Einakter, eine vergnügliche Posse. Melli wird einige Lieder vortragen, die vielleicht frech, aber auf intelligente Art witzig sind, und zwischendurch wird LouLou einige Tanzeinlagen zeigen, die

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