Goldbrokat
übernehmen, und es gefällt mir in dem Hain.«
»Die Seidenbauer brauchen jede Hand, baixi long , denn die Raupen werden von Tag zu Tag gefräßiger.«
Also sah er am kommenden Morgen den Männern und Jungen zu, die das junge Laub von den Ästen zupften, und nach einer Weile nahm er sich ebenfalls eine der Kiepen und begann,
sie mit dem Grün zu füllen. Man schenkte ihm einige verstohlene Seitenblicke, aber niemand sagte etwas dazu. Erst als die Kiepe voll war, kam ein alter Arbeiter auf ihn zu und verneigte sich.
»Ich zeige Euch den Weg, tai pan . Folgt mir.«
Offensichtlich hatten die Mönche den Pflückern seine Absicht mitzuarbeiten erklärt, und folgsam trottete er hinter dem schwer beladenen Alten zu der Sammelstelle, wo die Blätter auf langen Tischen mit scharfen Messern zerteilt wurden.
»Geht nicht weiter, tai pan , nur bis hier.«
»Ich weiß, ehrwürdiger Alter. Und … oben im Kloster nennt man mich baixi long . Hier bin ich kein tai pan .«
»Wie Ihr wünscht, baixi long .«
Die Arbeit tat ihm wie erwartet gut, sie ermüdete seinen Körper und stärkte seine Muskeln. Und sie verhalf ihm zu einem traumlosen Schlaf.
Nach fünf Tagen erst sprach ihn der Alte wieder an, als er seinen letzten Korb Blätter abgeliefert hatte.
»Wascht Euch gründlich, baixi long , und dann folgt mir. Die Tsun Mou möchte mit Euch sprechen.«
Er schöpfte Wasser aus dem Brunnentrog und reinigte seine Hände, wusch sein Gesicht und goss sich sogar ein paar Kellen über die Haare. Dann schüttelte er sich und ging hinter dem Arbeiter her. Dieser blieb in respektvoller Entfernung vor dem ersten Raupenhaus stehen und bat ihn, auf die Raupenmutter zu warten. Es verging eine Weile, während der er die Gelegenheit hatte, das Gebäude zu betrachten. Wie alle Häuser war es in schlichter Symmetrie angelegt, die Fenster mit Reispapier verschlossen, das Dach mit Stroh gedeckt. Vier Frauen in weißen Kleidern, die Haare unter Schleiern verborgen, trugen klein geschnittene Blätter hinein. Dann trat die Tsun Mou aus der Tür und kam auf ihn zu. Sie war keine junge Frau mehr, aber ihr Gesicht glich der vollen Rundung des Mondes und strahlte freundliche Ruhe aus.
» Baixi long , ich hörte, Euch interessieren unsere gierigen Kinder?«,sagte sie mit einer lächelnden Verbeugung.
Er erwiderte diese Geste mit einer etwas tieferen, wie es sich einer ehrwürdigen Person gegenüber gebührte. Die Höflichkeitsformen der Chinesen hatten ihn schon immer beeindruckt, er hatte sich jedoch bisher seinen Geschäftspartnern gegenüber an seine eigenen Gesten gehalten. Aber inzwischen praktizierte er sie selbst, und es schien ihm richtig zu sein.
Die Tsun Mou wirkte denn auch erfreut.
»Vor fünf Tagen sind die ersten geschlüpft, baixi long , und nun wird ihnen ihre Haut zu eng. Sie schlafen.« Dann reichte sie ihm ein rotes Lackkästchen mit einem durchbrochenen Deckel. Ein kleines Kunstwerk, stellte er bewundernd fest. »Darin liegt eine kleine Schläferin. Sie wird morgen wieder aufwachen und einen noch größeren Hunger haben. Füttert sie gut, haltet sie von Lärm, heftigen Bewegungen und starken Gerüchen fern. Noch vier Mal wechselt sie ihr Kleid, und wenn der Mond wieder zunimmt, wird sie damit beginnen, sich einzuspinnen. Beobachtet und lernt, baixi long .«
Mit den höflichsten Floskeln, die er kannte, bedankte er sich für das Geschenk, und vermutlich hatte er die eine oder andere Vokabel erschreckend falsch ausgesprochen, denn die Tsun Mou unterdrückte sichtlich ihr Lächeln und verbeugte sich nur noch einmal. Dann eilte sie zurück zu ihren Schützlingen.
Als er mit seiner kostbaren Gabe ins Kloster zurückkam, wartete George Liu auf ihn.
»Ihr seht gut aus, tai pan «, begrüßte er ihn. »Gesund und kräftig.«
»Ich bemühe mich darum, George.«
»Ihr habt ein Geschenk erhalten?«
»Eine kaiserliche Raupe, die ich persönlich aufziehen darf.« Der arme George wirkte irritiert, und er lachte leise. »Ich habe wieder Neugier entwickelt, mein Junge. Die Seidenzucht, hier direkt vor meiner Nase, interessiert mich.«
»Nun, dann kümmert Euch gut um den Seidenwurm. Ich habe die wilden Larven als Kind auch beobachtet, wenn sie sich einspannen. Ein kleines Wunder ist es schon, wenn aus der Raupe ein Falter wird.«
Er stellte das Lackkästchen vorsichtig auf ein Bord und lud den jungen Mann ein, mit ihm einen schattigen Platz am Bach aufzusuchen.
»Was bringst du mir für Neuigkeiten, George?«
»In der
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