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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Herren jetzt zu fortgeschrittener Stunde hinreißen ließen, nicht mehr die pikanten Histörchen über einige der Abwesenden, sondern in seinen Ohren klang nur noch der Name Kusan nach.
    Demütigung war mit diesem verfluchten Namen verbunden.
Tiefste Demütigung. Oft, wieder und wieder war er gedemütigt worden. Nicht zuletzt von Ariane Kusan.
    So hatte er sich im vergangenen Sommer wirklich nicht getäuscht, als er sie mit unschicklich gerafften Röcken zum Dampfschiff hatte laufen sehen. Sie lebte jetzt in Köln, sie kannte LouLou, die elende Dirne, und steckte nun auch noch mit Wever unter einer Decke.
    Was würden die drei über ihn lachen. Sich an seinen Niederlagen ergötzen, seine Erniedrigungen genießen. Er vermeinte das schrille Lachen der beiden Weiber in seinen Ohren klirren zu hören. Seine Hände verkrampften sich um das Damasttischtuch, sein Gesicht begann unruhig zu zucken, ein Gurgeln löste sich unwillkürlich aus seiner Kehle. Sie verachteten ihn, sie schmähten ihn, blanke Häme gossen sie über ihn.
    Mit einem Stuhlpoltern stand er auf, und mit einem Ruck riss er das Tischtuch mittendurch, sodass Gläser, Flaschen und Blumenvasen umfielen und geräuschvoll auf dem Boden zersplitterten.
    »De Charnay!« Jemand fasste ihn am Arm, aber er schüttelte die lästige Gestalt ab und stakste mit verkrampften Beinen aus dem Bankettsaal.
    Luft, er brauchte Luft zum Atmen. Luft, mehr Luft.
    Keuchend lehnte er sich an die Hauswand und rang nach Atem.
    Was hatte er getan? Wie konnte das passieren? Nach so vielen Jahren angestrengter Disziplin war es wieder geschehen. Er musste von Sinnen gewesen sein, sich dermaßen von seinen Gefühlen übermannen zu lassen.
    Noch immer zuckte es in seiner Wange, aber die Verkrampfung seiner Muskulatur ließ allmählich nach. Das gallebittere Gefühl, das seine Kehle verengt hatte, war noch immer da, aber der Hass wurde dumpfer, konnte gebändigt werden. Langsam klärten sich auch seine Gedanken wieder. Er stieß sich von der Mauer ab und wanderte durch die schwülwarmen Straßen von Lyon.

    Köln – dieses elende Drecksnest, dieser Pfuhl dunkelster Erinnerungen, dieser Hort der Entwürdigung. Warum hatte er sich nur verleiten lassen, dorthin seine Beziehungen zu knüpfen? Er hätte schon viel früher jeden Kontakt vermeiden sollen.
    Er würde jetzt die Konsequenzen ziehen. Nichts band ihn mehr an die Stätte seiner Erniedrigungen. Nichts außer Hass.
    Aber dann glomm das Fünkchen Erkenntnis auf. Was hatten sie von Ariane Kusan gesagt? Witwe?
    Witwe!
    Kusan war also tot, verschollen, verrottet. Und das war gut so.
    Aber Ariane lebte noch und trug seinen Namen.
    Was wusste sie von ihm? Was hatte er ihr erzählt? Was hatte LouLou ihr anvertraut?
    Ruhig, ganz ruhig.
    Charnay lehnte sich an das Brückengeländer und starrte in die flackernden Lichter auf den Wellen der Saône.
    Er musste sich besinnen, Schaden begrenzen, mehr herausfinden. Er konnte die Kontakte nach Köln noch nicht abreißen lassen. Aber er musste sie anders gestalten.
    Ja, er musste gestalten und planen. Alleine, in der Abgeschiedenheit seines Gutes.
    In der Société würde man natürlich über seinen Auftritt reden, aber nicht mehr als über die gelegentlichen Ausfälle anderer trunkener Mitglieder. Er selbst würde sich aber dafür einer langen, wirkungsvollen Kasteiung unterziehen. Ja, es war wichtig, sich eine läuternde Strafe auszudenken. Das reichhaltige Essen an diesem Abend sollte das letzte für lange Zeit gewesen sein. Wasser, dunkles Brot, dann und wann ein Apfel mussten reichen. Nicht mehr als drei Stunden Schlaf. Keine Frauen, keine Belohnung – Arbeit. Eigenhändige harte Arbeit. Das alles würde auch seinen Gewinn mehren und vorbildlich auf seine Arbeiter wirken.

    Und dann, wenn er sich wieder rein fühlte, würde er über Konsequenzen nachdenken.
    Harte Konsequenzen.
    Sie würden nie wieder über ihn lachen.

Mit Dampf zu einer Familienfeier
    JUPITER:
    Die sterblichen Menschen kommen jetzt schneller fort als die unsterblichen Götter!
    MERKUR:
    Sie sind tätig. Sie haben Eisenbahnen; sie haben Dampfschiffe.
    JUPITER:
    Ja, seit sie die Dampfkraft benutzen, teilen sie ihre Macht mit uns.
     
    Jacques Offenbach, Orpheus in der Unterwelt
    Philipp fand, Mama war eine prima Sorte, eine ganz Richtige und eine Teufelsbraut. Na ja, das sagte man besser nicht laut. Aber sie war viel verständiger als andere Mütter. Das musste man mal feststellen. Fand Laura auch. Sie hatte ihr nämlich unter dem

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