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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Madame Mira über das Leben in Tante Caros Haus. So erfuhr ich, dass die Kinder immer noch jeden Tag zu ihr kamen, und sie fragte, ob es mir recht sei, wenn sie ihnen die Abenteuer des Marco Polo vorlesen würde.
    »Es ist eine schwierige Lektüre, aber sie sind ja so an fernen Ländern interessiert, und Amerika haben wir nun in alle Richtungen schon durchquert.«
    »Wenn sie etwas nicht verstehen, werden sie fragen. Dann ist es Ihr Problem, wenn Sie nicht befriedigend antworten können«, sagte ich mit einem Lächeln, und Madame Mira nickte. »Die Enzyklopädie des seligen Herrn Professor wird uns ein guter Freund und Begleiter werden.«
    Dann plauderte sie über Tante Caro, die wieder mehr in Gesellschaft ging, aber sich strikt weigerte, auch nur ein Wort über mich und meine Tätigkeit zu verlieren. Ich hatte nichts anderes erwartet. Während des gemeinsamen Aufenthalts in Münster hatte unsere Unterhaltung aus sehr einsilbigen Wortwechseln bestanden.
    »Sie klagt und jammert ständig, dass sie gezwungen sei, sich derart einzuschränken. Nicht einmal ein neues Kleid für den Kirchgang kann sie sich leisten. Ich nehme an, das war es, was ich Ihnen weiterleiten sollte, Ariane.«
    »Was Sie hiermit pflichtschuldigst getan haben. Komisch, ich habe irgendein Problem mit den Ohren, Madame Mira. Manche Sachen höre ich nicht so richtig, da klingelt und rauscht es immer in meinem Kopf.«
    »Tja, das hat man hin und wieder. Ich verstehe das, Ariane. Sie arbeiten hart, um Ihre Tante, die Kinder, ein Kindermädchen und eine Wirtschafterin zu bezahlen. Mehr kann sie wirklich nicht verlangen. Zumal sie Ihnen gerade diese Arbeit
auch noch übel nimmt und Ihnen jede Anerkennung dafür vorenthält.«
    »Das stört mich inzwischen nicht mehr, Madame Mira. Meine Kinder haben ein respektables Heim, bis ich mir etwas für uns gemeinsam leisten kann. Ich spare darauf hin, darum bekommt sie nicht mehr als das, was sie unbedingt benötigt.Wenn sie ein neues Kleid haben möchte, dann soll sie ihren hässlichen Rubinschmuck verkaufen. Er steht ihr sowieso nicht.«
    Madame Mira kicherte und nahm sich noch ein Stück Gebäck.
    Hannah hatte die ganze Zeit höflich schweigend bei uns gesessen, Kaffee nachgeschenkt, kleine Handreichungen gemacht, aber jetzt legte auch sie die Hände flach auf den Tisch und sagte: »Sie fragt mich ständig aus, wie die Geschäfte bei dir laufen, wer deine Kundinnen sind, ob ich Männer bei dir angetroffen hätte. Ich habe da aber auch immer so ein Klingeln und Rauschen in den Ohren, Ariane. Ganz genau wie du.«
    »Tante Caro ergötzt sich an der Vorstellung, dass ich ein Lotterleben führe. Das ist eben die Lieblingsbeschäftigung unserer großen Scheinheiligen.«
    »Also Klingeln und Rauschen kann ich auch in den Ohren haben. Wenn sie das nächste Mal über ihre Garderobe klagt, werde ich ihr zeigen, wie man mit ein paar kleinen Änderungen alte Kleider neu aufputzen kann. Und nebenbei den grässlichen Rubinschmuck erwähnen.«
    Dann wandten wir uns angenehmeren Themen zu. Ich zeigte Madame Mira einige meiner neuen Entwürfe für Nachmittagsund Abendkleider, und sie zauberte noch ein paar wertvolle Tipps aus ihrem unergründlichen Nähkästchen hervor.
    Ihr Kommen hatte mich wirklich gefreut, und ich nahm mir vor-Tante Caro hin oder her -, sie wenigstens einmal im Monat zu besuchen und Hannah zu bitten, sie zwischendurch auch immer mal im Atelier vorbeizubringen.
Der zweite Besuch, der gerade zwei Tage später in mein Atelier schneite, löste aber noch eine viel größere Freude aus – und hatte auch unerwartete Folgen.
    Ich saß gerade über einem Zeichenbogen am Küchentisch und zählte einen schwierigen Musterrapport aus, als die Glocke mich darauf aufmerksam machte, dass eine Kundin den Empfangsbereich betreten hatte. Etwas ärgerlich, weil ich durch sie in der kniffligen Arbeit gestört wurde, legte ich den Bleistift nieder und lief nach oben. Eine junge Dame, deren schwarze Locken unter einem Pelzmützchen hervorquollen und deren bordeauxroter Mantel eng ihre zierliche Figur umspannte, hatte bereits den Anprobenraum betreten und starrte verlangend das meergrüne Kleid an, das ich ganz neu der Schneiderpuppe übergezogen hatte. Doch ihre eigene Kleidung mochte modisch geschnitten sein, die erfahrene Schneiderin in mir erkannte die abgenutzten Stellen und die vielen kleinen Änderungen auf den ersten Blick. Ihr Begleiter war sogar noch nachlässiger gekleidet, sodass ich fürchtete, ihr eine herbe

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